So schnell kann’s gehen …
Gestern dachte ich noch, Mitte nächster Woche fahre ich wieder zu meiner Mutter und löse meinen Bruder bei ihrer Betreuung ab. Ich dachte, ich werde mit ihr am Balkon sitzen und wenn sie will, mit ihr Halma spielen, ich werde ihr die Beine massieren, vielleicht vorlesen, ich werde sie in den Arm nehmen, wenn sie wieder beginnt, im Sitzen nach vor und zurück zu schaukeln …
Es muss furchtbar sein, wenn man ganz klar bei Verstand ist und erleben muss, wie der eigene Körper zuerst langsam und dann immer schneller und schneller zerfällt. Man ist in einem Haus eingesperrt, das dabei ist zusammenzubrechen. Man hört es krachen, knarren, die erste Zimmerdecke bricht ein, ein Dachsparren, … Wie kann man sich davor schützen, bei dieser Prozedur durchzudrehen?
Heute ist alles anders. Ich weiß nicht, ob sie noch etwas krachen und knarren hört. Ansprechbar ist sie nach dem Schlaganfall gestern bis jetzt nicht. Und ich weiß auch nicht, ob sie morgen zu Mittag, wenn ich bei ihr im Krankenhaus ankomme, noch am Leben ist. Heute in der Nacht ist mein Bruder bei ihr. (Das ist toll, wir können uns im Krankenhaus aufnehmen lassen.) Das ist ein gutes Gefühl. Die zwei haben sicher noch viel miteinander „zu reden“. Morgen übernehme ich die Nacht, wenn es noch eine Nacht in diesem Körper für sie gibt.
Heute ist alles anders. Der Tod steht im Raum und aller Krimskrams ist weg. Als würden sich die Nebensächlichkeiten vor ihm fürchten. Das Wesentliche bleibt. Es wird größer, klarer sichtbar und hat eine feine, ganz warme Ausstrahlung. Es ist hier. Jetzt.