Wir sitzen im Wohlstand und warten

Bei uns in den reichen Industrieländern ist es blitzsauber, die Infrastruktur einwandfrei, die Hygienevorschriften, insbesondere in der Lebensmittelverarbeitung, in der Gastronomie und im Gesundheitsbereich enorm. Sogar der Hundedreck muss von der grünen Wiese entfernt und in einem rosaroten oder schwarzen (natürlich kompostierbaren) Plastiksackerl bei sonstiger Strafe in einer dafür vorgesehenen Mülltonne entsorgt werden.
Den Müll und [...]

Sie sitzen im Staub und warten

Egal, wo man sich wohin bewegt in Kathmandu, man bewegt sich im Staub. Die Straßen sind entweder gar nicht asphaltiert, oder nur stückweise, oder im Asphalt sind riesige Löcher, oft sind es auch nur schmale Schotterwege, sehr oft sind es jahrelange Baustellen, auf denen nichts gemacht wird (manche waren vor 10 Jahren auch schon da, [...]

Security für die Tauben

Neben dem Rundweg um den Stupa von Boudha gibt es einen mit Seilen abgetrennten Bereich, der von mindestens zwei, meistens von drei Sicherheitskräften bewacht wird, darin Wassergefäße, unglaublich viel Futter und unglaublich viele Tauben. Gelegentlich werden sie von irgendetwas aufgeschreckt, dann erhebt sich der ganze Schwarm wie auf Kommando, Futter und Dreck und jede Menge [...]

Der Mönch und seine Schwester.

Eine kleine Gompa am Rand des Waldes. Irgendwie auch am Rand des Dornröschenschlafs. Auch die Baustelle unmittelbar vor dem Gebetsraum wirkt eingeschlafen. Verstaubt. Blumen wuchern, alles wuchert. Wunderbar verwildert. Sonne scheint. Ich verschwitzt. Auf der Stiege vor der Gompa ein Mönch. Wie der Wächter des Schatzes im Silbersee. Und wie dieser hat er den Neuankömmling [...]

Draußen knallt es, fast wie bei uns zu Sylvester.

Lautsprecher, Musik, Gekreische. Höchste Zeit, mich ins gemütliche Bett zurückzuziehen und mit Obst und köstlich scharfen Masala-Chips vollzustopfen. Der zweite Tag des Lichterfestes. Tihar. Wie laut wird es am fünften (und letzten) sein???
Der frühe Abend war fein. Die Mandalas auf den Straßen vor den Hauseingängen waren so gut wie fertig, die Kerzen wurden angezündet. Wunderschön. [...]

Seit über einem Monat in Nepal

Keine Fotos (weil das Hochladen nicht mehr funktioniert), keine Weisheiten, keine Erleuchtung.
Viele Tempel, Stupas, 8000er und (während des Dahsein-Festes geopferte) kopflose Tiere. Noch mehr Dreck, Staub, Müll, Motorräder, Straßenhunde. Unglaublich viel Armut und Freundlichkeit. Husten. Vom vielen Staub. Ausspucken, nicht vorwiegend männlich. Stufen ohne Ende. Mönchsgesänge, Getrommle, Getröte, Gescheppere lange vor Sonnenaufgang. Zikaden, deren gleichförmiges, [...]

Ist es drüben besser als hier, Brigitte (Schwaiger)?

Wie viele von uns stellen dir diese Frage heute?

Riesige Fußstapfen.

Ich bin wieder da und sollte dringend, dringendst Texte basteln für die zwei Lesungen nächste Woche. Aber da ist etwas, das noch viel dringender ist: DANKE sagen. Ein riesiges DANKE einem, der, während ich in Spanien 700 km gegangen bin, einen anderen Camino eingeschlagen hat.
Erhard Pichler, die Seele, das Herz der Notschlafstelle KUCKUCKSNEST, ist tot. Er ist [...]

In den Tag hineingehen mit nichts

als dem Vertrauen, dass das Leben schon das Richtige vorhat mit mir/uns.
Kein guter Satz? Vor allem nicht im Angesicht der Krise? Für mich ein guter Satz. Nach mehr als vier Jahren noch immer. Trotz Krise.
Ich schrieb diesen Satz in mein Tagebuch (es war im Feber 2005), als ich dabei war mein Beamtendasein zu beenden (sprich: mein [...]

Ob Dach Los ES. Oder: Hausgemacht.

Wenn ich etwas sage, sagst du darauf etwas, du sagst aber mit dem, was du sagst und wie du es sagst, nicht auf das etwas, was ich jetzt sage, du spuckst mir das Ganze ins Gesicht, das Jetzt und das Früher, das den Sauhaufen zustande gebracht hat, vor dem du jetzt stehst und über den [...]

“Er scheißt sich an, im wahrsten Sinn des Wortes”,

beantwortet Albrecht meinen entsetzten Blick auf die dunkelbraune Unterhose des Mannes, der eben noch bei uns am Tisch gesessen ist und jetzt auf eine Tür zusteuert, hinter der eines von acht Betten auf ihn wartet. Ein Gedanke, der wie ein Feuerwerk in meinem Magen explodiert: Ist er auf dem Stuhl, auf dem ich jetzt sitze, [...]

“Warum lügen Sie mich an?”

Graz. Stadtpark. Früher Vormittag.
Ich walke, er sitzt auf einer Bank und dreht sich eine Zigarette. Neben sich eine Plastikflasche mit einem finsteren, picksüß riechenden Zeug. “Da ist Wodka drin.” 60 Jahre. Seit 17 Jahren auf der Straße.
“Wo schlafen Sie?”
“Überall.”
“Warum gehen Sie nicht in eine der Vinzi-Einrichtungen?”
“Da sind die aus der Karlau. Glauben Sie, ich will [...]

Verhaltensforscher UND Psychiater müsste man sein.

Oder man dürfte nicht wissen wollen, warum Menschen sind, wie sie sind, warum sie sich verhalten, wie sie sich verhalten und wie man sich ihnen gegenüber “richtig” verhält.
Eine Frau: Um die Fünfzig, selbstbewusstes Auftreten, intelligent, redet gern, flüssig und gut, hat mit Sicherheit eine gute Ausbildung hinter sich, Berufserfahrung, Erfahrung im Umgang mit Menschen, die [...]

Warum will jemand nicht?

Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, ich lande heute immer wieder bei dieser Frage und sie richtet sich an dich und an mich.
Du bist hier und die Realität ist dort.
Du willst mit der Realität nichts zu tun haben.
Die Hände, die sich dir entgegenstrecken, gehören auch zur Realität.
Du schlägst sie aus. Weg.
Du gibst [...]

Die niederschwelligsten Notschlafstellen sind wie Grenzposten.

Nicht nur viele Nationalitäten prallen hier aufeinander, auch zwei Gruppen von Menschen, die gegensätzlicher nicht sein könnten:
Die einen wollen nicht drinnen bleiben, im Arbeitsmarkt nicht, in einer geregelten Gemeinschaft nicht, manche nicht einmal im sozialen Netz, das Land würden sie aber nie verlassen, wo sollten sie auch hin. Die anderen kommen von auswärts, viele von [...]

“Viele erkennen ihre Lage nicht, wollen sie nicht wahrhaben.”

Wer will die Scheiße schon sehen, in der er sitzt? Noch dazu die, die er selber hingeschissen hat.
Wir tun doch alle, als wären wir unsterblich. Sitzen zwischen Atomkraftwerken und -bomben und schwärmen von sauberer Engergie, vergiften uns und die Welt um uns herum jeden Tag ein bisschen mehr. Man tut, was man kann und wenn [...]

Desolat sein dürfen.

Konrad ist klein, mager, das Gewand steht, davon bin ich überzeugt, auch ohne den Herrn, die Haare krümmen sich in alle Richtungen, mittellang, die Hände meistens schwarz, es gibt keinen, dem ich die Dusche so wünsche wie ihm, wenn er hin und wieder etwas isst und wenn er dabei redet, spuckt er, den Speichelfluss hat [...]

Wilde Gestalten.

Gestern habe ich mir das gedacht und ob ich sie nicht viel zu schön schreibe.
Dreckig, viele sicher verlaust oder/und mit anderen Tierchen bevölkert, nur wenige würde ich nicht unter die Dusche stecken, wenn ich könnte (und dann jemand anderen die Dusche putzen schicken, weil mir/mich graust), die Haare stehen ihnen zu Berge, die Zähne braun [...]

Und schon wieder:

“Ich glaube nicht, dass es gut ist in verschiedenen Einrichtungen gleichzeitig mitzuarbeiten. Man kommt gar nicht umhin zu vergleichen, hier ist das besser, dort das. Außerdem ist man nie ganz hier und nie ganz dort und wenn man so etwas macht, sollte man es ganz machen.”
Ich mache, was ich mache, ganz. Aber ich mache es [...]