Der vierte Abend. Oder: “Sie gehen schon?”

16:30 Uhr Bus nach Heiligenstadt, S45 bis Penzing, dann sieben bis zehn Minuten zu Fuß. Finster. Nieselig. In der Notschlafstelle brennt schon Licht. Ein Mann sieht mich durch die Glastür, öffnet, lacht mich freundlich an, keine Zähne im Mund, verschwindet Richtung Küche, wahrscheinlich Brote streichen. Ein anderer kommt. Der Obmann. “Nein”, sagt er, als ich in [...]

eisWein

Wir behandeln den Tod wie einen Fremden.
In  dieser Beziehung stehen wir fast alle am äußersten rechten Rand.
Gäbe es eine Gaskammer …
Unvorstellbar, wäre es uns erlaubt
in unserer Dummheit zu verharren,
würde er uns bei unseren Sandkastenspielen nicht stören.
Die Welt wäre eine Wüste.
 

Der dritte (erste Dienst)Abend. Oder: Babylonische Verwirrung.

Halb sechs (17:30 Uhr). Vor der Haustür schon eine Gruppe Gäste. Also kein Gespräch mit Sebastian vorher, ob es vielleicht irgendetwas gibt, das ich wissen sollte, kein Durchsehen der Listen der letzten Tage, bei der Tür hinein, die Rezeption aufsperren, Anorak ausziehen und mit Kopfsprung in den Check-in.
Plusminus 90 Menschen kommen, stürmen, hatschen, humpeln, schleichen, [...]

Novembrig.

Wenn man zum Leben ja sagt
und das Leben selber
sagt zu einem nein,
so muss man auch zu diesem Nein
ja sagen.
Christian Morgenstern

Der zweite (Schnupper)Abend. Oder: Noch nicht angekommen.

Zu allererst gehe ich mit Zettel und Stift durch den Keller und das Erdgeschoß und suche die Rauchmelder, die laut telefonischer Mitteilung vorhanden sein müssen, und schreibe auf, was ich finde: Erdgeschoß ein Rauchmelder über der Rezeption, Keller sechs Rauchmelder im Männerschlafraum, im Frauenschlafraum sehe ich keinen einzigen. Dabei wären sie hier wichtig. Der Raum [...]

Der erste (Schnupper)Abend. Oder: Zu ebener Erde und darunter.

80 bis 90 Menschen, Betten, Matratzen, Decken, Polster, mindestens dreimal so viele vollgestopfte Plastiksäcke unter, zwischen, neben den Betten, die Betten, Menschen und Plastiksäcke aufgeteilt auf zwei Schlafräume im Keller, ein großer mit plusminus 40 Stockbetten für Männer, ein kleinerer mit plusminus 10 Betten für Frauen, im großen Raum zusätzlich Kästen mit Bettzeug, Handtüchern, neben den Kästen Bett- und [...]

Wenn man nicht weiß, was tun

geht man am besten in der Nacht spazieren. Nachher weiß man es zwar auch nicht, aber es ist wenigstens spannend. Das gänsehautige Prickeln putzt durch. Der Kopf wird klarer.

Richtigstellung: nicht zwischen allen Stühlen …

Im letzten Artikel habe ich (zu schnell drauf los) geschrieben, dass obdachlose Bürger aus anderen EU-Ländern in Österreich so gut wie nie Sozialhilfe (seit 1.9.2010 “Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung”) bekommen. Ich habe mir jetzt die europarechtlichen Vorgaben,  die österreichische Umsetzung und das Wiener Mindestsicherungsgesetz etwas gründlicher vorgenommen und …
Das Schlaraffenland haben wir hier nicht, das stimmt, und ein [...]

VinziPort ist da!

Heute wurde in Wien 14, Linzerstraße 169, die Notschlafstelle VinziPort offiziell eröffnet.
“Die erste EU-Bürger Notschlafstelle in Wien” steht in den Unterlagen. Soll heißen: die erste Notschlafstelle in Wien, die ausschließlich für obdachlose Menschen aus anderen EU-Ländern gedacht ist.
Bis zu 100 Betten, Einlass zwischen 18 und 22 Uhr, die Gäste können sich duschen, ihre Wäsche waschen, zum Essen [...]

Wu Wei.

Nicht den Weg machen. Den Weg gehen.
Auf meinem liegt morgen eine neue Notschlafstelle.

Das Zündholz.

Hier und jetzt und aufmerksam sein. Aufmachen und bemerken, was ist. Die Gegenwart, den Augenblick bewusst wahrnehmen, beobachten, sich nicht in Vergangenheit und Zukunft wegdenken, da sein und hinschauen. Dem, was ist, kerzengerade ins Gesicht schauen. Sonst nichts.
Würde das jeder tun, die Welt würde sich von Grund auf ändern.

Kann man das?

Gleichzeitig in zwei Positionen verharren? Am Berg und im Tal sein? Blatt, das vom Baum fällt, sein und Bewunderer der Farbenpracht im Herbst?
Wenn nicht: Wie soll das gehen mit der Geborgenheit des Augenblicks, wenn man nicht in einem Landhaus in Italien sitzt oder an der Grenze zur Weisheit?
(Ich denke gerade an den Fernsehbeitrag von gestern “Tod [...]

Besessen, zerfressen, zerrissen

von Gedanken. Wie ein Termitenhügel. Ich denke nicht, ich werde gedacht. Ein Gefangener in einem Hochsicherheitstrakt. Ich bin eingesponnen in Denken über gestern und an morgen wie in einem Kokon. Es ist nicht einmal Platz für Platzangst …
Tut gut sich das bewusst zu machen.

Chinesisch lernen ist leichter.

Weder an gestern noch an morgen denken, ausschließlich in der Gegenwart leben, im Hier und Jetzt sein, sich frei von Bindungen, Meinungen dem Fluß des Lebens überlassen, der Weisheit der eigenen inneren Autorität.
Und das in Zeiten der Er/Ablebens-, Unfall-, Zusatz- und Pensionsversicherungshysterie …