Ganz ruhig ist es.

Keine Infusionen mehr, keine Blutabnahme, nur mehr ein bisschen Flüssigkeit subkutan und ein bisschen Morphium.

Die brüchigen Venen haben nein gesagt, der ganze Körper schreit nein, lasst mich endlich in Ruhe, ich will eure Hilfe nicht mehr, eure Truppen, die ihr mir zur Verstärkung schickt gegen die vielen Feinde, die mich angreifen! Schaut mich doch an! Ich bin am Auseinanderfallen! Seht ihr das nicht? Warum wollt ihr das denn wie einen Strudelteig in die Länge ziehen? Zu retten gibt es hier nichts mehr. Ich will jetzt meinen Dienst endlich beenden dürfen! Nach 100 Jahren ist es genug!

Neben dem Bett sitzen, ganz leicht über die dunkelblau aufgedunsene Hand streicheln, über die Stirn, sie anschauen, das fremde und doch so bekannte Gesicht, die Augenlider, die so fest über den Augen geschlossen sind, als wären sie dort festgewachsen, die Nase, die immer gelber und weißer und spitziger wird, das Knie, das sich manchmal bewegt. Einfach nur dasitzen. Hin und wieder leise reden. Aufstehen. Einen Tee trinken. Wieder hinsetzen. Lassen.

Ich dachte, es würde schwierig, weil zwischen uns nicht immer alles so gut gelaufen ist. Es ist aber nicht schwierig. Es kommt kein Vorwurf, kein schwarzer Gedanke. Im Gegenteil. Da ist Verständnis, gegenseitiges Verzeihen, gegenseitige Anerkennung. Friede.

Vielleicht kommt das andere noch. Jetzt ist es jedenfalls gut. Ich habe mir gestern einen Pott „Nerventropfen“ gekauft. Bis jetzt brauche ich sie nicht. Ich bin ruhig. Mein Platz ist hier. Würde ich jetzt nicht hier sein, würde ich die Tropfen brauchen.

So. Jetzt setze ich mich wieder zu ihr. In zwei Stunden kommt mein Bruder mit noch ein paar Leuten, dann gehe ich eine Runde spazieren. Und dann komme ich wieder. Und bleibe.

Das ist mir ein Bedürfnis. Keine Last. Keine Pflichterfüllung. Es ist so ruhig hier, dass es mir Mühe macht, einen Gedanken zu fassen. Trotzdem tut es gut, diese wenigen hier aufzuschreiben.

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