Ich hatte großes Glück.

Dass ich bei ihr sein durfte, als es anfing zu Ende zu gehen. Dass ich mit ihr sein durfte, als das Atmen noch schwieriger wurde, als es vorher schon war. Dass ich sie aufrichten durfte, ihr mit zittrigen Fingern über das schweißnasse, fiebrige Gesicht streichen durfte, während sie kämpfte. Dass ich mich ungeschickt und hilflos bemühen durfte, immer wieder die Schwester zu Hilfe rufen durfte, bis mir diese geduldig und ausführlich erklärte, dass „das alles schon dazu gehört“. Dass ich ihre Angst zuerst mit ihr teilen und dann mit ihr überwinden durfte. Dass ich hinter und neben ihr stehen durfte als Schulter zum Anlehnen. Dass ich ihr gut zureden und es selber begreifen durfte, dass ihr nichts passieren kann beim Loslassen, dass sie vor nichts Angst haben muss, weil alles gut ist, wie es ist.

Ich hatte großes Glück, dass ich mich mit ihr auf das glatte Eis des Unbekannten stellen und dort mit ihr ausharren durfte Stunde um Stunde, während sich die letzte Tür langsam, ganz langsam öffnete.

Dann kamen die andern und stellten sich rund um ihr Bett. Sie sahen sie (nur mehr) sterben.

Ich hatte riesengroßes Glück.

Dieses letzte Stück Weg (während die letzte Tür sich öffnet) birgt mindestens so viele Wunder wie Monster, mindestens so viel Liebe wie Schrecken. Wenn man/frau sich darauf einlässt. Darf man/frau ein winziges Stück des Mysteriums TOD begreifen. Berühren. Mit warmen, lebendigen Händen.

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