Drei Tage Papierkram. Suchen und etwas anderes finden.

Ob es vielen Erben so geht wie mir jetzt? Dass sie wohl glauben, zu wissen, was (nicht) da ist an Geld und sonstigem Vermögen, aber eben nur glauben zu wissen und deshalb dasitzen vor Papierbergen, niemand mehr fragen können und Ordner um Ordner, Papierstoß um Papierstoß, Schublade um Schublade durchwässern auf der Suche nach …?

Wie sorgfältig sie war. Wie genau ihre Buchhaltung. Bis vor etwas mehr als einem Jahr hat sie noch selber Buchhaltung gemacht. Allein. Vor einem Jahr war sie 99 Jahre alt. Eine erstaunliche Frau.

Zwischen Steuererklärungen, Rechnungen, Kontoauszügen plötzlich das eine oder andere ganz Andere, das freundlich herausblitzt aus diesem grau in grau und die eingeschlafenen Lebensgeister wieder befeuert, wie etwa der irische Reisesegen, den wir vor dem Begräbnis gesucht haben wie eine Nadel im Heuhaufen und dessen letzte Strophe lautet:

„Weich sei die Erde, wenn du auf ihr ruhst, müde am Ende des Tages. Und leicht ruhe die Erde auf dir, am Ende deines Lebens, dass du sie am Ende leicht abschütteln kannst und auf und davon gehen auf deinem Weg zu Gott.“

Sie hat alles aufgehoben. Wie ein Hamsterlein. Sogar am Dachboden gibt es noch massenweise Ordner, die ich allerdings nicht antaste. Mir genügt das, was ich in Schubladen und Kästen finde. Sie hätte Bücher schreiben können über ihr Leben im Krieg und später als Flüchtling und hungernde Studentin im Wien der Nachkriegsjahre.

Am Ende dieser drei Tage habe ich keine versteckte Million gefunden, nur ein Bündel wertlose Aktien, aber ich habe VIEL gelernt über die Frau, die unter anderem meine Mutter war. Ich bin ein bisschen kleiner und sie ist ein bisschen größer geworden.

Es ist so wichtig für mich, mir Zeit zu nehmen DAFÜR. Den Menschen, der meine Mutter war, zu entdecken und so viel wie möglich von dem, was ihn ausgemacht hat, an mich heranzulassen, zu berühren, begreifen mit meinen zehn Fingern, auch die Teile, die ich als sein Kind nie kennengelernt habe.

Und diesen Menschen dann in Frieden gehen lassen. Und selber weiter gehen.

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