Auf den Friedhöfen wird es jetzt hektisch.

WARUM?

Warum versammeln wir uns in diesen Tagen vor fauligen Überresten, vor stinkenden oder nicht mehr stinkenden Knochen oder vor kalter Asche, über die wir in den Tagen zuvor Stechlaub, Mistelzweige und frische Blumen gebreitet haben? Wieso kaufen wir Berge von weißem und rotem Plastikmüll, den wir zwischen den Blumen und Zweigen verteilen, um in jedem Stück Müll einen Docht zu entzünden, der aus einer gelblich weißen Masse herausragt und je nach Größe dieser Masse bis zu 48 Stunden (oder auch länger) müde vor sich hin flackert, während sein milchig weißes oder rotes Outfit Jahrhunderte zum Verrotten brauchen wird?

Wem bedeutet das WAS?

Ich habe diesen Friedhofskult schon als Kind nicht verstanden. Allerheiligen und Allerseelen waren die zwei trostlosesten Tage im Jahr. Nett und adrett und neu eingekleidet, geschniegelt als Teil der allgemeinen Herbstmodenschau am sogenannten „Hof des Friedens“ über eine Stunde lang wie angewurzelt in der Kälte stehen, manchmal schon im Schnee, die nagelneuen Stiefel noch kein bisschen ausgeleiert, entweder stumm wie ein Holzklotz oder notdürftig und widerwillig die vielen “Vater unser” und Rosenkränze mitleiernd mit dem leiernden Gewabble, das sich über den Gräbern ausbreitet wie aschgrauer Griespudding und zu Allerheiligen von hunderten “Bitt für uns” durchlöchert wird, und keine Ahnung haben, wozu dieses triste Getue und aufdringliche Gebitte gut sein soll, außer dass vielleicht den Würmern auch noch der Appetit vergeht.

Kein Verstorbener kann diese trübe Prozedur wollen. Da bin ich mir heute noch genau so sicher wie als Kind.

LIEBE. LICHT. Eine weiße, brennende Kerze. Warme Gedanken. Ein Platz im Herzen. Das würde ich wollen.

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