Riesige Fußstapfen.

Ich bin wieder da und sollte dringend, dringendst Texte basteln für die zwei Lesungen nächste Woche. Aber da ist etwas, das noch viel dringender ist: DANKE sagen. Ein riesiges DANKE einem, der, während ich in Spanien 700 km gegangen bin, einen anderen Camino eingeschlagen hat.

Erhard Pichler, die Seele, das Herz der Notschlafstelle KUCKUCKSNEST, ist tot. Er ist völlig überraschend am 30. September an einem Herzinfarkt gestorben. Das war das erste Mail, das ich nach den sechs internetlosen Wochen aus meinem vollgestopften Outlook gefischt habe. Es ist mich angesprungen wie ein junger Hund. Und wie jedesmal, wenn ein Mensch aus meiner unmittelbaren Umgebung von heute auf morgen verschwindet, sich in Luft auflöst, als hätte er eine Tarnkappe aufgesetzt, spüre ich, wie hauchdünn das ist, das uns von der anderen Seite trennt, mit Sicherheit nicht dicker als unsere Augenlider und dass wir sie irgendwann öffnen werden können wie Katzenbabys. Und genauso regelmäßig schießt mir ein Satz ins Hirn: CARPE DIEM. Ich habe diesen Satz hunderte Male gelesen, in fetten Großbuchstaben auf einem Plakat an der Eingangstür zu einem Hospiz, in dem ich mitgearbeitet habe.

Erhard hat diesen Satz gelebt. Jede Minute ausgefüllt mit Sinn. Das “Lose” hat er weggelassen, ausgegrenzt, er hat es in den Müll geworfen. Dabei gehörten die letzten Jahre seines Lebens den Ausgegrenzten, den Obdachlosen, “dem Müll der Gesellschaft”.  Er hat diese Grenze nicht gelten lassen. Ihm war jedermensch wichtig. Und je ausgegrenzter (von sich selbst oder/und den anderen), desto wichtiger, desto vehementer und bedingungsloser hat er diesem/n Menschen seine Hand entgegengestreckt. Aber bevor ich ins Schwärmen komme, mache ich einen Punkt. Nur eine Anmerkung noch: Er hat dafür keinen Cent bekommen. Man hat ihm sogar die Notstandshilfe gestrichen, weil er nicht bereit war, seinen unbezahlten rund-um-die-Uhr-Job im Kuckucksnest gegen einen bezahlten Job einzutauschen oder zeitlich derart einzuschränken, dass er einen bezahlten annehmen hätte können.

Danke, Erhard! Wir brauchen Verrückte wie dich. Wir brauchen im Moment fast nichts dringender als diese leuchtend gelben Pfeile am Wegrand. Buen camino! (Wünsche ich uns allen.)

Eine letzte Anmerkung noch: Riesige Fußstapfen bleiben nicht leer. Und sei es, dass der eine oder andere hineinfällt und nicht mehr herausfindet …

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