Nur still. Nicht starr.

Beim Braunbär heißt dieser Zustand Winterruhe und hat etwas mit dem Nahrungsangebot zu tun. Er dauert bis zu sieben Monate, die der Bär in seiner Höhle in einem Dämmerschlaf verbringt. Es gibt aber auch wesentlich weniger stark ausgeprägte Formen. Das Eichhörnchen etwa ist das ganze Jahr über aktiv, wenn der Winter allerdings streng ist, beschränkt es sich aufs Nüsseknabbern im Nest. 

Bei diesem Logbuch sage ich zu diesem Zustand Stille Zeit. Wie still und wie lang still, kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, warum still. Weil ich schreibe. Und wenn ich schreibe, schreibe ich und beim Schreiben tun sich selten Blog-würdige Dinge.

Leseprobe aus Zwei T-Shirts für 700 Kilometer

Die Herberge ein altes Kloster. 80 Betten in spartanisch schönen, hohen, alten Räumen. Das Bett, das heute mein Bett ist, ebenso spartanisch, das obere eines frei im Raum stehenden Stockbettes, links und rechts nichts, auch keine Leiter, sprich: ich habe Turnübungen vor mir in der Nacht, falls ich das Bett nicht schon vorher unfreiwillig verlasse weil herausfalle. Nur ein wackeliger Stuhl steht neben jedem Stockbett am Steinboden, dessen Sitzfläche man als (einzige) Leiterersatzsprosse verwenden kann oder auch nicht. Andernfalls muss man vom Bett herunter springen, das habe ich schon gesehen, hinaufhechten noch niemand. Oder man steigt dem, der unten schläft, in/neben das Gesicht oder (besser) auf/neben die Füße. Aber das ist nicht das vordringlichste Problem. Die Frage ist, ob ich die Matratze überhaupt verlassen werde können, weil sie durchgelegen ist wie eine Badewanne, eine Hängematte, aus deren Tiefe ich mich hoffentlich hinaufhanteln werde können bis an ihren Rand, ich muss nur aufpassen, dass ich es nicht mit zu viel Schwung angehe, sonst lande ich erst wieder am Steinboden. Aber ich muss ohnehin zuerst meine Bauchtasche suchen in den Tiefen dieser Hängematte und in der Bauchtasche das Brillenetui und die Stirnlampe und im Brillenetui die Brille und bis ich das alles gefunden und auf der Nase und am Hirn habe, werde ich sicher ganz wach sein und den Abstieg entsprechend bewusst und vor allem sehr zielorientiert in Angriff nehmen.
   Die Sanitäranlagen dürften jünger sein als ich, ich schätze sie auf dreißig bis vierzig Jahre. Aber das stört mich nicht, weil sie sauber sind, das Wasser beim Duschen warm ist, die Klospülung funktioniert einwandfrei, sogar Klopapier ist da.
   Das alles (Schlafräume plus Sanitäranlagen) ist im ersten Stock und windet sich um einen kleinen, quadratischen Arkadenhof herum, durch den sich die Wäscheleinen ziehen wie Spinnweben, von Steinsäule zu Steinsäule, zu ebener Erde ungenutzt, im ersten Stock dicht behängt. Auch über der steinernen Brüstung hängen die Handtücher und T-Shirts, wobei die T-Shirts eher auf ihr liegen als über ihr hängen, so dick ist sie. Der Blick in den Hof hinunter, in den Himmel hinauf, ein Traum, die Atmosphäre, die Architektur, das ganze Gebäude. Die Stiegen breite, geschwungene Aufgänge, die Wände in diesen Bereichen holzvertäfelt, im Erdgeschoß alles mögliche und der riesige Saal, in dem wir die berühmte Knoblauchsuppe löffeln, der zumindest heute das Salz fehlt und der Knoblauch. Ich trinke sie, weil die Löffel ausgegangen sind und ich die Entwicklungsstufe noch nicht erreicht habe, in der ich die Suppe mit einer Gabel essen werde können, auch wenn der Mann mit dem großen Schöpfer mir das offenbar zutraut, weil er mir mit der Bemerkung „Es ist viel Brot drinnen.“ die volle Suppenschüssel plus eine Gabel in die Hand gedrückt hat. Habe sofort ein Foto gemacht. Das sind die Herausforderungen des modernen Pilgerlebens!

Und die passenden Fotos dazu:

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