„Warum kochen wir nicht in KABUL für Straßenkinder und alleinstehende Frauen mit Kindern?“

Diese Frage stellt mir gestern allen Ernstes eine ganz liebe Bekannte, die in zwei Monaten in Pension gehen wird und die ich gefragt habe, ob sie sich vorstellen könnte, mit mir in Katmandu eine „Dalküche für Straßenkinder“ aufzumachen.

Weil ich vielleicht doch noch ein kleines bisschen älter als 67 werden möchte … ?

„Ach was! Uns zwei alten Schachteln tun die (Taliban und Co) doch nichts!“

Und dann sprudeln die Vorschläge und Pläne … Und zum Schluss: „Ach ist das schön, wieder einmal ein wenig zu träumen…, aber Achtung: Wenn mich eine Idee packt, dann lasse ich nicht mehr los…“

Wer jetzt meint, diese Frau hat von Afghanistan keine Ahnung, irrt. Gewaltig. Deshalb irritiert mich ihr Vorschlag.

Ich hatte diese Idee selber schon einmal. Allerdings vor der Machtübernahme durch die Taliban. Während des ersten Corona-Lockdowns. Ich erinnere mich noch gut. Ich saß unter einer Birke und schaute in ein Meer von Weinstöcken, als sie urplötzlich da war.

Ich schrieb sie auf:

Wenn die Menschen aus Afghanistan nicht (mehr) zu uns kommen dürfen, könnte/sollte ich zu ihnen gehen. Kochen in Kabul für Straßenkinder. Ein warmes Essen für junges Leben am Abgrund in dieser Eiszeit der Menschlichkeit. Etwas gegen das Erfrieren tun. Auch gegen mein eigenes. Nicht bewusstlos werden wollen in dieser Kälte. Mich dagegen bewegen. Etwas tun, vor dem jeder halbwegs normale Mitbürger zurückschreckt und mir voller Inbrunst ein zu 100% berechtigtes „Du spinnst ja!“ entgegenschleudert, müsste doch etwas mit Lebendigkeit zu tun haben. Auch wenn es ein halbwegs sicherer Selbstmord wäre …

Damals hatte ich allerdings kein Geld, um die Idee umzusetzen. (Zu feig wär ich natürlich auch gewesen.) Und im Sommer 2021 übernahmen dann die Taliban die Macht im Land. Und erlassen seither immer stärkere Repressionen, vor allem gegen Frauen. (Amnesty International hat im Sommer dieses Jahres einen Bericht herausgebracht mit dem Titel: DEATH IN SLOW MOTION - Women and girls under the Taliban rule, der Bericht kann abgerufen werden unter ecoi.net) Das Land am Hindukusch versinkt im tiefsten Elend und Mittelalter. Steinigungen, Hände abhacken u.u.u. Meine Kabul-Straßenkinder-Idee … vergessen und begraben.

Jetzt taucht sie plötzlich wieder auf. Und ein bisschen Geld vielleicht auch. Und eine Frau, die mit mir gehen würde. Von Kopf bis Fuß verschleiert ins Reich der bärtigen Turbanmänner mit Gewehren und Peitschen. Ein paar Schritte vor die Haustür ohne Begleitung eines dazu berechtigten Mannes (Nicht jeder Mann darf das!) können zu Peitschenhieben oder ins Gefängnis führen. NEIN, DANKE! Und zu diesen berauschenden Aussichten durch das winzige Guckloch der Purka kommen noch so Kleinigkeiten wie der IS, massenhaft halb verhungerte Kriminelle und Drogenabhängige und Millionen und Millionen ums splitternackte Überleben Kämpfende.

Allerliebste M., du bist völlig durchgeknallt!

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