Ein Akkordfleischer aus Portugal.

Ein energischer Mann. Groß, schlank, steht mit mehr als zwei Beinen am Boden. Sucht Arbeit, findet keine. Einen Job hätte es übers AMS für ihn gegeben, aber den habe dann ein anderer bekommen. Schwarzarbeit habe man ihm angeboten, irgendwo in Niederösterreich, 40 Euro pro Tag plus Übernachtung und Essen, aber das will er nicht.
“Ein paar [...]

Der blasse, esssüchtige, junge Grieche

arbeitet sich von einem Teller zum nächsten und aufs Klo und wieder zurück.
Ungesund schaut er aus, der Schweiß steht ihm auf der Stirn, keine Haare auf dem Kopf, ich glaube, er rasiert ihn täglich, schwarz ist seine Lieblingsfarbe, er ist immer freundlich, erzählt, dass er bei einem Anwalt gearbeitet hat und hofft, dass er bald [...]

Sieben Kinder mit vier Frauen.

Und 50.000 Euro Schulden beim Staat.
“Dad i orwat’n, dadn’s mi pfänd’n bis auf’d Untagati.”
Sozialhilfebezieher. Plusminus fünfzig. Tiroler.
“Owa i bi stoiz auf meine siem! Oi kerng’sund!”
Zur Zeit ist er mit einer Spanierin zusammen. Eine sehr sympathische Frau.
“Mia kinnan ins nit streit’n. Sie ku nit Deitsch und i ku nit Spanisch und Englisch ku i a nit.”
Die [...]

FROHE OSTERN!

Man kann von ihm halten, was man will. Als Vorbild ist er in jedem Fall gut genug.

In Windeln auf der Straße.

Die Frau dürfte um die sechzig sein. Nicht groß, nicht dick, bis auf das Gesicht, das Gesicht ist dick und dunkelblau. Geduldig steht sie vor der verschlossenen Tür und wartet. Ich läute.
“Einlass ist erst ab 18:30 Uhr”, klärt sie mich auf.
“Kommen Sie öfter hierher zum Schlafen?”
“Jeden Tag.”
“Und wie lange schon jeden Tag?”
“Vier Jahre.”
Müde schaut sie [...]

Das Gesicht blau, die Stirn aufgeschlagen, der Anorak voller Blut.

“Herr Huber! Da sind Sie ja! Wir haben Sie schon vermisst! Wo waren Sie? Wieder im Krankenhaus?”
Der Mann nickt.
Wir freuen uns, dass Sie wieder da sind!”
Er lächelt. Euro hat er heute keinen. Das macht nichts.
Die Leiterin später erklärend zu mir:
“Er schaut immer so aus. Er trinkt, bis er umfällt. Außerdem ist er Epileptiker. Er ist [...]

Der Mann, der auf uns zukommt, ist drei Meter groß.

Dabei ist er nicht größer als ich. Aber er strahlt wie die Sonne höchstpersönlich.
“Gratulation, Herr Maier! Wir haben es schon gehört!”
Die Ehrenamtliche neben mir schüttelt ihm die Hand, lacht von einem Ohr zum andern. Dann bin ich an der Reihe. Ich weiß nicht, worum es geht, es ist mein zweiter Abend hier.
“Herr Maier hat die [...]

Wie in schwarze Farbe eingetaucht und die Farbe schlecht heruntergewaschen.

Die Hand, die sich mir entgegenstreckt.
Der Mann, der zu dieser Hand gehört, ist schlank, nicht groß, 35 Jahre alt (sagt er, ich hätte ihn auf maximal 25 geschätzt), vorne fehlen ein paar Zähne, die Haare auf der Seite ganz kurz, oben lang, ganz oben blond gefärbt, Rossschwanz, schwarze Lederjacke, dicker Ring, säuft wie ein Loch.
“Danke!”
Er [...]

Mein erster Mörder.

Wenn’s wahr ist. In Brasilien drei Leute erschossen bei einer Auseinandersetzung in einem Slum.
“Ich sehe die drei heute noch rennen.”
Der Mann ist sehr sympathisch. Ob die Geschichte stimmt, die er erzählt, weiß ich nicht. Ich weiß oft nicht, ob die Geschichten stimmen, die die Leute erzählen.
“Ich war dafür drüben im Gefängnis.”
Er zeigt mir seinen Pass. [...]

“Wenn ich da bin, sollen sie nicht hungern!”

Alexander tischt auf. Geselchtes und Graupelsuppe hat er zuhause schon vorgekocht, das schleppt er in Töpfen an, das Kortoffelpürree machen wir hier, außerdem hat er noch Würste mitgebracht, Eier, Pesto. “Ich kenne sie ja.”
Er hat Recht. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Wie die Wölfe. Das Fleisch ist innerhalb von fünf Minuten weg, als [...]

Er hat es geschafft!

Der alte Mann mit den vielen Krätzen. Er war beim Arzt und ist selig.
Mindestens eine halbe Stunde rennt er in Pullover und Unterhosen durch die Gegend (offenbar war er vorher unter der Dusche) und erzählt, wie freundlich “die auf der Klinik” gewesen sind. “Warum sind Sie denn nicht schon viel früher gekommen?”, hätten sie gesagt.
Er [...]

Ein paar Tage “Obdachlosenpause”.

Sonst drücken mich die Eindrücke der letzten Wochen an die Wand, jeder ungewohnt und ungewöhnlich genug, damit muss der Organismus erst einmal fertig werden, sie verarbeiten dürfen, verdauen, sortieren, einordnen, auch die Masse an Informationen auseinanderklauben.
Ich werde mir jetzt einen großen Stein in der Sonne suchen, das Jausenbrot, den Apfel und die Saftflasche aus dem [...]

Habe ich das gleiche Recht zu brüllen, wenn mir etwas weh tut, wie sie?

Ich nehme es mir.

Ich brauche nicht einmal mehr an sie zu denken,

juckt es mich überall. Vielleicht, weil ich nicht aufhören kann an sie zu denken.
Hast dich in den letzten Tagen, Wochen ein bisschen zu weit hinausgelehnt, Mädel. Wieso musst du dich auch auf alles so einlassen, was du tust.Wieso musst du immer alles durchleuchten, bis in den letzten Winkel ausleuchten, dir alles anschauen, jeden Dreck, dir [...]

Träumerin du, besoffene Egoisten bedienst du,

die nicht einmal bereit sind jeden Tag den einen Euro für Bett, Wärme, Dusche und Essen zu geben, versaufen das Geld lieber und lassen sich hier bedienen und verteilen in ihrer grenzenlosen Selbstlosigkeit Krätzen, Läuse, weil sie nicht bereit sind …

Desolat sein dürfen.

Konrad ist klein, mager, das Gewand steht, davon bin ich überzeugt, auch ohne den Herrn, die Haare krümmen sich in alle Richtungen, mittellang, die Hände meistens schwarz, es gibt keinen, dem ich die Dusche so wünsche wie ihm, wenn er hin und wieder etwas isst und wenn er dabei redet, spuckt er, den Speichelfluss hat [...]

Wilde Gestalten.

Gestern habe ich mir das gedacht und ob ich sie nicht viel zu schön schreibe.
Dreckig, viele sicher verlaust oder/und mit anderen Tierchen bevölkert, nur wenige würde ich nicht unter die Dusche stecken, wenn ich könnte (und dann jemand anderen die Dusche putzen schicken, weil mir/mich graust), die Haare stehen ihnen zu Berge, die Zähne braun [...]

Manchmal ist es hart die Leute nicht bei ihrem Namen zu nennen.

Viele von ihnen sind Originale, nicht austauschbar, auch ihre Namen sind nicht austauschbar.
Wahrscheinlich gibt es in Wien hunderte mit dem Namen Charly, Eddy, Billy, Adam, Eva und niemand würde bemerken, von wem ich spreche. Trotzdem. Niemand wird hier bei seinem Namen genannt. Das ist die Grenze.
Also bitte ich um Entschuldigung, wenn ich auf eine Packung [...]

“Morgen habe ich ein Vorstellungsgespräch.”

Der arbeitslose Koch aus Bayern mit dem norddeutschen Akzent (”Ich habe lange in Norddeutschland gearbeitet. Das Bayrische haben sie nicht verstanden, also …”) wühlt in den Schränken mit den Spendenkleidern. Zwei vernudelte Hosen, drei vernudelte Hemden, eine Hand voll überbrauchte Unterhosen. Der Mann ist in meinem Alter. Eher jünger.
“Ich probiere es immer wieder.”
Zur Zeit kann [...]