Träumerin du, besoffene Egoisten bedienst du,

die nicht einmal bereit sind jeden Tag den einen Euro für Bett, Wärme, Dusche und Essen zu geben, versaufen das Geld lieber und lassen sich hier bedienen und verteilen in ihrer grenzenlosen Selbstlosigkeit Krätzen, Läuse, weil sie nicht bereit sind …

Eine perfekte Notschlafstelle.

Zwei Ehrenamtliche im Empfang, zwei Ehrenamtliche in der Küche, eine Ehrenamtliche spielt mit den Gästen Karten (nicht nur einer von ihnen sagt “Mami” zu ihr), ein junger Mann ist am Computer mit Listen, Formularen beschäftigt (”Ich bin für den Krimskrams zuständig.”), zwischendurch kommt eine Frau vorbei, die am Nachmittag mit ein paar Gästen irgendwo Keramik [...]

Zum Glück gibt es Notschlafstellen, die jeden nehmen.

Sonst würde mich keine nehmen. Ich bin offenbar ein höchst suspektes Subjekt. Mit meinem Blog. Mit meiner fehlenden Bereitschaft mich auf eine eingrenzen zu lassen.
Mein Verdacht, dass ich den Gästen in einigen Punkten sehr ähnlich bin, erhärtet sich von Tag zu Tag. Ich befürchte sogar, ich bin ein ziemlich schwerer Fall von Eingliederungsresistenz.
Im Namen aller [...]

Bruno, vielen Dank für die schöne Musik!

Dabei dachte ich, an diesem Abend gibt es nichts Schönes, der Dimmer muss kaputt sein, das Licht viel zu hell, keine verschwommenen Farben, die Konturen klar, überdeutlich. Dabei waren die Grenzen verschwommener als an jedem anderen Abend. Hätte man August (der Ehrenamtliche, der Nachtdienst hatte) unter die Gäste gemischt, ich hätte geglaubt, er ist einer [...]

Wilde Gestalten.

Gestern habe ich mir das gedacht und ob ich sie nicht viel zu schön schreibe.
Dreckig, viele sicher verlaust oder/und mit anderen Tierchen bevölkert, nur wenige würde ich nicht unter die Dusche stecken, wenn ich könnte (und dann jemand anderen die Dusche putzen schicken, weil mir/mich graust), die Haare stehen ihnen zu Berge, die Zähne braun [...]

Der ehemalige Pestfriedhof unter der Kirche Mariahilf.

Eine schmale Treppe ganz hinten an der rechten Längsseite der Kirche (wenn man von der Mariahilfer Straße kommt). Die Treppe hinunter. Eine Tür. Unscheinbar, ich glaube unbeschriftet und wenn doch beschriftet, sehr unauffällig. Die Tür auf. Das erste eine Waschmaschine, die rumpelt. Das zweite eine freundliche, blonde Frau, die einem dünnen, kleinen Mann die Haare [...]

Und schon wieder:

“Ich glaube nicht, dass es gut ist in verschiedenen Einrichtungen gleichzeitig mitzuarbeiten. Man kommt gar nicht umhin zu vergleichen, hier ist das besser, dort das. Außerdem ist man nie ganz hier und nie ganz dort und wenn man so etwas macht, sollte man es ganz machen.”
Ich mache, was ich mache, ganz. Aber ich mache es [...]

Notschlafstellen sind extreme Orte.

Hier herrscht kein gemäßigtes, liebliches Klima, hier werden die Dinge beim Namen genannt, Gelegenheiten beim Schopf gepackt oder erwürgt, hier ist nichts mittelmäßig, hier geht es um die Wurscht, hier passiert etwas, weil die Menschen einander und ihrem Elend nicht aus dem Weg gehen.
Wer immer hierherkommt (Gastgeber oder Gäste) nimmt sich, braucht etwas von der [...]

Notschlafstelle ist nicht gleich Notschlafstelle.

Notschlafstellen sind Persönlichkeiten, jede unverwechselbar, nicht austauschbar gegen eine andere, jede in ihrer Art notwendig, ihr Eigensinn gefragt, auch gefordert, nicht jede geeignet für jedermann, nicht einmal für jeden Ehrenamtlichen, in jeder fast jeden Tag jedes verfügbare Bett ausgelastet, jede unverzichtbar nicht nur für die, die dort bewirtet werden und die Nacht verbringen.
Keine dieser unscheinbaren [...]

“Solange du in der Notschlafstelle XY mitarbeitest, möchte ich nicht, dass du an einer Mitarbeiterbesprechung in unserer Notschlafstelle YX teilnimmst.”

Ich darauf: “Dann würde ich vorschlagen, ich komme erst wieder hierher, wenn ich aufgehört habe dort mitzuarbeiten.”
Sie erleichtert: “Das wäre mir sehr recht. Weißt du, das Misstrauen sitzt sehr tief. Du wirst das jetzt nicht verstehen, aber vielleicht kommst du einmal in eine Situation, in der du mich verstehst.”
Ich verstehe schon. Zwei Notschlafstellen, die einmal [...]

Mein erster Nicht-mehr-nur-Schnupper-Dienst.

Und gleich das, vor dem ich mich am meisten fürchte: die Köchin (sprich: die Frau, die an diesem Abend das Kochen übernehmen wollte) ist ausgefallen. Aber Albrecht hat einen Hilferuf in die Schar seiner Ehrenamtlichen getan und eine liebe, kleine, junge Französin, ich nenne sie Christine, ist gleich gekommen um mir zu helfen.
Als Erstes eine Bestandsaufnahme: [...]

Zwei riesige Dosen Bohnen, ein Berg Erdäpfel, ein Berg Zwiebeln, ein paar grüne Paprika.

Nicht einmal zwei Stunden später stehen zwei 5(-10)Liter-Töpfe am Tisch, hinter dem Tisch eine junge Frau mit einem Riesenschöpfer, eine Studentin, sie lacht freundlich, herzlich, vor dem Tisch die Leute mit den leeren Suppentellern, einer nach dem andern füllt sich, ein Danke nach dem andern.
“Bitte nicht so viel Saft. Mehr Einlage.”
Riecht gut. Dazu Brot.
“Kann ich [...]

Danke für den warmen Abend.

Sonst nichts. Nur das. Aber das ist mir heute wichtig zu sagen.
Alles andere kann warten bis morgen.

In der Früh muss ich jetzt oft an sie denken.

Wenn ich aus dem warmen Bett steige und unterwegs bin in die warme Dusche und zum heißen Kaffee. Dass sie jetzt unterwegs sind in die Kälte. Vielleicht kiefeln sie gerade an ihrem alten Brot in der dicken Luft von gestern, suchen einen Rest Rotwein in den Tetrapacks im Mistkübel, einige kämpfen sicher noch mit dem [...]

“Mein Asylantrag ist zurückgewiesen worden und berufen darf ich auch nicht! Und morgen muss ich zu einem Interview!”

Der junge Mann hält uns (genauer: der Leiterin der Notschlafstelle, ich sitze nur daneben, ich bin zum ersten Mal hier, zum Kennenlernen) zwei Zettel entgegen.
“Darf ich?”
Der eine Zettel ist ein Bescheid, aber nur ein Ladungsbescheid, Termin ist morgen. Gegen einen Ladungsbescheid kann man nicht berufen, das ist richtig und steht drauf. Aber man kann anrufen [...]

Ein Drittel der Obdachlosen in Wien sind Jugendliche.

Das sagten sie gerade in ZEIT IM BILD 2. Ob das wirklich stimmt? Und dass mehr Einrichtungen gebraucht werden. Das stimmt sicher.
Es gibt eine einzige Notschlafstelle (nur) für Jugendliche und ein Übergangswohnhaus für junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren.

Wieso schminkt sich jemand, der ehrenamtlich in einer Notschlafstelle arbeitet?

Das ist, als würde man im Ballkleid bergsteigen gehen.

Wieso waschen sich viele in der Notschlafstelle so wenig?

Viele kümmern sich auch nicht darum, ob ihre Kleidung in Ordnung ist. Hier könnten sie das alles. Sogar bügeln könnten sie.
Ist Dreck eine Schutzschicht?
Ich könnte eine fachliche Unterstützung gut gebrauchen. Ich würde die Menschen so gern verstehen. Etwas wie eine Supervision.

“Und dann fahren wir mit dem Dampfer auf der Donau und später gehen wir zum Heurigen!”

Eine Wollmütze steht auf/in einem verwirrten, üppigen Gestrüpp, das Gestrüpp steht auch im Gesicht, das Gesicht ist (jetzt) freundlich (”Er kann sehr aggressiv werden!”), friedlich, die Augen lachen ziemlich, die Stimme vollgepumpt mit Rotwein aus dem Tetrapack. Statur: nicht groß, dünn, zwei blaurote Hände fuchteln beim Reden, dicker grauer Pullover, verfilzt, Stehkragen, irgendwie muss man [...]

Ein paar beeindruckende Zahlen aus Wien.

Gruft (das größte Betreuungszentrum für akut wohnungslose Menschen) www.gruft.at: 60 Ehrenamtliche (Jahresbericht 2007)
Vinzirast-Cortihaus (Notschlafstelle für bis zu 60 Personen plus Wohnheim für 29 Personen) www.vinzirast.at: fast nur ehrenamtliche Mitarbeiter (57 Namen stehen derzeit auf der Website)
Vinzibett (Notschlafstelle für bis zu 47 Menschen) www.vinzi.at und vinzibett.2page.de/: 1 hauptamtlicher Mitarbeiter, etwa 18 Ehrenamtliche
Kuckucksnest (Notschlafstelle mit bis zu 45 Betten, manche davon [...]