Wilde Gestalten.

Gestern habe ich mir das gedacht und ob ich sie nicht viel zu schön schreibe.
Dreckig, viele sicher verlaust oder/und mit anderen Tierchen bevölkert, nur wenige würde ich nicht unter die Dusche stecken, wenn ich könnte (und dann jemand anderen die Dusche putzen schicken, weil mir/mich graust), die Haare stehen ihnen zu Berge, die Zähne braun [...]

Manchmal ist es hart die Leute nicht bei ihrem Namen zu nennen.

Viele von ihnen sind Originale, nicht austauschbar, auch ihre Namen sind nicht austauschbar.
Wahrscheinlich gibt es in Wien hunderte mit dem Namen Charly, Eddy, Billy, Adam, Eva und niemand würde bemerken, von wem ich spreche. Trotzdem. Niemand wird hier bei seinem Namen genannt. Das ist die Grenze.
Also bitte ich um Entschuldigung, wenn ich auf eine Packung [...]

Der ehemalige Pestfriedhof unter der Kirche Mariahilf.

Eine schmale Treppe ganz hinten an der rechten Längsseite der Kirche (wenn man von der Mariahilfer Straße kommt). Die Treppe hinunter. Eine Tür. Unscheinbar, ich glaube unbeschriftet und wenn doch beschriftet, sehr unauffällig. Die Tür auf. Das erste eine Waschmaschine, die rumpelt. Das zweite eine freundliche, blonde Frau, die einem dünnen, kleinen Mann die Haare [...]

Und schon wieder:

“Ich glaube nicht, dass es gut ist in verschiedenen Einrichtungen gleichzeitig mitzuarbeiten. Man kommt gar nicht umhin zu vergleichen, hier ist das besser, dort das. Außerdem ist man nie ganz hier und nie ganz dort und wenn man so etwas macht, sollte man es ganz machen.”
Ich mache, was ich mache, ganz. Aber ich mache es [...]

Notschlafstellen sind extreme Orte.

Hier herrscht kein gemäßigtes, liebliches Klima, hier werden die Dinge beim Namen genannt, Gelegenheiten beim Schopf gepackt oder erwürgt, hier ist nichts mittelmäßig, hier geht es um die Wurscht, hier passiert etwas, weil die Menschen einander und ihrem Elend nicht aus dem Weg gehen.
Wer immer hierherkommt (Gastgeber oder Gäste) nimmt sich, braucht etwas von der [...]

Notschlafstelle ist nicht gleich Notschlafstelle.

Notschlafstellen sind Persönlichkeiten, jede unverwechselbar, nicht austauschbar gegen eine andere, jede in ihrer Art notwendig, ihr Eigensinn gefragt, auch gefordert, nicht jede geeignet für jedermann, nicht einmal für jeden Ehrenamtlichen, in jeder fast jeden Tag jedes verfügbare Bett ausgelastet, jede unverzichtbar nicht nur für die, die dort bewirtet werden und die Nacht verbringen.
Keine dieser unscheinbaren [...]

“Solange du in der Notschlafstelle XY mitarbeitest, möchte ich nicht, dass du an einer Mitarbeiterbesprechung in unserer Notschlafstelle YX teilnimmst.”

Ich darauf: “Dann würde ich vorschlagen, ich komme erst wieder hierher, wenn ich aufgehört habe dort mitzuarbeiten.”
Sie erleichtert: “Das wäre mir sehr recht. Weißt du, das Misstrauen sitzt sehr tief. Du wirst das jetzt nicht verstehen, aber vielleicht kommst du einmal in eine Situation, in der du mich verstehst.”
Ich verstehe schon. Zwei Notschlafstellen, die einmal [...]

Mein erster Nicht-mehr-nur-Schnupper-Dienst.

Und gleich das, vor dem ich mich am meisten fürchte: die Köchin (sprich: die Frau, die an diesem Abend das Kochen übernehmen wollte) ist ausgefallen. Aber Albrecht hat einen Hilferuf in die Schar seiner Ehrenamtlichen getan und eine liebe, kleine, junge Französin, ich nenne sie Christine, ist gleich gekommen um mir zu helfen.
Als Erstes eine Bestandsaufnahme: [...]

Zwei riesige Dosen Bohnen, ein Berg Erdäpfel, ein Berg Zwiebeln, ein paar grüne Paprika.

Nicht einmal zwei Stunden später stehen zwei 5(-10)Liter-Töpfe am Tisch, hinter dem Tisch eine junge Frau mit einem Riesenschöpfer, eine Studentin, sie lacht freundlich, herzlich, vor dem Tisch die Leute mit den leeren Suppentellern, einer nach dem andern füllt sich, ein Danke nach dem andern.
“Bitte nicht so viel Saft. Mehr Einlage.”
Riecht gut. Dazu Brot.
“Kann ich [...]

“Morgen habe ich ein Vorstellungsgespräch.”

Der arbeitslose Koch aus Bayern mit dem norddeutschen Akzent (”Ich habe lange in Norddeutschland gearbeitet. Das Bayrische haben sie nicht verstanden, also …”) wühlt in den Schränken mit den Spendenkleidern. Zwei vernudelte Hosen, drei vernudelte Hemden, eine Hand voll überbrauchte Unterhosen. Der Mann ist in meinem Alter. Eher jünger.
“Ich probiere es immer wieder.”
Zur Zeit kann [...]

Krätze.

Ein ungemein hässliches Wort. Die Milbe, die zu diesem Wort dazugehört, ist ein Spinnentier.
Die Weibchen bohren sich in die Oberhaut und legen dort in den Kanälen Kot und ihre Eier ab. Ihre Absonderungen bringen Bläschen, Pusteln, Quaddeln, alles Unmögliche hervor. Die Männchen gehen nicht in die Tiefe, sie wuseln auf der Hautoberfläche herum und suchen [...]

Heute haben sie es feiner als gestern. Die Sonne scheint.

Halb neun vorbei und +4 Grad. Der Wind geht zwar noch immer, aber es ist immerhin trocken. Und blitzblau.

Null Privatsphäre.

Das würde mir wahrscheinlich am meisten zu schaffen machen. Oder hört man auf der Straße auf etwas anderes als die anderen zu sein? Saudumme Frage. Furchtbar muss das sein.
Keine Tür zum Zumachen. Nicht einmal ein eigenes Kaffeehäferl. Überall nur geduldet. Bestenfalls geduldet. Nirgendwo nicht überflüssig. Immer bitte sagen müssen und danke. Für einen Teller Gulasch [...]

Verhungern muss in Wien niemand. Aber Hunger gibt es offenbar genug.

Sonst würde es nicht so viele Plätze und Einrichtungen geben, wo man gratis oder so gut wie gratis Essen bekommt. Ich hätte das nie gedacht. Habe ich bis jetzt am Mond gelebt?
Und neben dem Erschreckenden wieder das Schöne. Die Freude am Helfen, am Tun für einander. Zum Beispiel “die Suppe auf Rädern”: Der Canisibus und [...]

Draußen schüttet es. Der Wind geht.

Heute bleibt man nicht einmal unter dem riesigsten Regenschirm halbwegs trocken. Wer von ihnen hat einen Regenschirm? Wie bringt man einen Tag hinter sich in dieser kalten Nässe? In der Haut derer, die heute in den Notschlafstellen Nachtdienst hatten und sie hinausschicken mussten in der Früh, möchte ich nicht stecken. Wo sind sie? Fast sieben [...]

Danke für den warmen Abend.

Sonst nichts. Nur das. Aber das ist mir heute wichtig zu sagen.
Alles andere kann warten bis morgen.

Bloggen ist gewöhnungsbedürftig.

Da schreibst du und schreibst du, dann klickst du auf Speichern. Fünf Minuten später fällt dir noch etwas ein. Das muss noch dazu. ZU SPÄT. Für Perfektionisten ist das hart. Und gesund.
Nachtrag vom 16.6.09: WordPress macht’s möglich. Danke!

In der Früh muss ich jetzt oft an sie denken.

Wenn ich aus dem warmen Bett steige und unterwegs bin in die warme Dusche und zum heißen Kaffee. Dass sie jetzt unterwegs sind in die Kälte. Vielleicht kiefeln sie gerade an ihrem alten Brot in der dicken Luft von gestern, suchen einen Rest Rotwein in den Tetrapacks im Mistkübel, einige kämpfen sicher noch mit dem [...]