Die Erde bebt wieder einmal in Nepal.

Zu meinem Glück weit weg. 400 km oder mehr.

Fünf Minuten von mir entfernt ist ein Kloster. Dorthin gehe ich jetzt und nehme an einer PUJA der Mönche teil. Das wollte ich heute sowieso. Unabhängig vom Erdbeben. Trotzdem wird die Qualität eine andere sein.

Nein. Keine Puja. In diesem Kloster findet heute keine mehr statt. Dafür viele Hubschrauber und Flugzeuge am Himmel. Und rund um den großen STUPA von Boudha Massen von Menschen. Heute ist Samstag und Samstag ist wie bei uns Sonntag.  Vielleicht ist jeden Samstag hier die Hölle los.

So weiß sind sie gar nicht mehr.

Die Götter in Eis. Die Langtang- Kette ist erschreckend grau unter dem Weiß.

Was passiert mit uns, wenn das Eis von diesen Göttern verschwindet?

Was immer es auch sein wird - alles, was dann geschieht, ist unser Werk …

Wie Götter in Eis wachsen sie aus dem goldenen Dunst der Morgensonne.

Glücklicherweise kann ich keine Fotos hochladen. Das, was hier geschieht, kann kein Foto festhalten oder auch nur ansatzweise hinüber/herüber bringen.

Das kann jeder nur selber erleben.

Und ich hatte heute das Glück, dass in der Nacht so viel los war - ich glaube, es waren junge Italiener, die auf ihren Balkonen gejohlt, gelacht und getrunken und Gläser an die Wand oder auf den Boden geworfen haben - dass ich um 6 Uhr Früh ziemlich allein war mit den weißen Giganten und der aufgehenden Sonne, weil die anderen Hotelgäste noch halb tot vom Alkohol oder der notgedrungen schlaflosen Nacht in ihren Betten lagen. Es ist nämlich hundert und eins, ob links und rechts geredet, gelacht und fotografiert wird oder nicht. Ich hatte heute das große Glück des nicht. Dafür danke, ihr nächtlichen Randalierer!

Schreiben möchte ich über diese Augenblicke nicht. Ich möchte nur danke sagen.

DANKE für diesen Morgen!

Seit über einem Monat in Nepal

Keine Fotos (weil das Hochladen nicht mehr funktioniert), keine Weisheiten, keine Erleuchtung.

Viele Tempel, Stupas, 8000er und (während des Dahsein-Festes geopferte) kopflose Tiere. Noch mehr Dreck, Staub, Müll, Motorräder, Straßenhunde. Unglaublich viel Armut und Freundlichkeit. Husten. Vom vielen Staub. Ausspucken, nicht vorwiegend männlich. Stufen ohne Ende. Mönchsgesänge, Getrommle, Getröte, Gescheppere lange vor Sonnenaufgang. Zikaden, deren gleichförmiges, unglaublich lautes Zirpen durch einen durchgeht wie ein Messer. Tanzende Frauen ohne Beine (unterhalb der Knie). Schöne Landschaften (no na …), köstliche Momos. So gut wie jedes “Hotel” eine Überraschung, Clowns ohne Grenzen in Kathmandu. Straßen, als wäre das Erdbeben von 2015 gestern gewesen. (Für 200 km zwischen Kathmandu und Pokara haben wir 12 Stunden gebraucht …) Lange schwarze Haare und leuchtende Gewänder über dunkler, weiblicher Haut. Fast jede Nepalesin ist schön. Skulpturen aus Stein, Holz, Metall zum Niederknien. Thangkas. Zwei davon in meinem Koffer. Butterlampen. Touristen in einem Cafe, die sich schreiend vor einer Ratte, die durchs Lokal flitzt, auf die Barhocker flüchten. Ein Büffel, der einen Monat lang in einem winzigen, finsteren Raum eingesperrt, dann mit Bier angefüllt von maskierten Männern durch die Straßen von Bhaktapur getrieben und geköpft wird. 200 Menschen, darunter der Präsident des Landes, die Tags darauf sein Fleisch als Festmahl genießen. Supergutes Vegetable Chowmein um weniger als 2 €. Ich jetzt mit kalten Füßen und heißem Tee im warmen Bett. Morgen um 6:00 Uhr Tagwache, um 6:12 Uhr Sonnenaufgang mit Blick auf die Riesen des Himalaya ganz bequem von der Terrasse aus.

Einige Antworten auf nicht gestellte Fragen.

Muss wirklich viel Anfang sein …

Sogar meine Webseite ist am Ende. Das Blog ist das Einzige, das noch funktioniert. Fotos kann man allerdings keine mehr hochladen.

Der Befund eines Computerfachmannes: “Das System ist leider hoffnungslos veraltet.” Patient liegt im Sterben.

Drei Tage hab ich jetzt gebraucht, um diese Tatsache zu realisieren. Ich bin ein Schreiberling. Ich hänge an Geschriebenem. Auch wenn es niemand liest. Aber ich habe die Texte und die Blogbeiträge - mit viel Liebe - in die Welt hineingestellt, hinausgeschickt. Und jetzt verschwinden sie.

Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde! (Hermann Hesse, Stufen)

Wo viel Ende, da viel Anfang.

Diesen Satz sollten wir uns vor Augen halten in Zeiten wie diesen. An ihm kann man sich anhalten wie am Klettersteig an einem Seil. Ich zumindest mache das, mit immer mehr mehr Vertrauen. In meinem Leben ist dieser Satz wahr.

Vieles ist und vieles geht jetzt zu Ende. Die Verlassenschaft nach meiner Mutter ist abgewickelt. Die Beziehung zu meinem Bruder zerbrochen. Mein Elternhaus ist nicht mehr mein Elternhaus. Der Pinzgau als mein zweites Zuhause bis auf Weiteres eine Erinnerung. Auch hier im hitzegebeutelten Osten, meinem „ersten” Zuhause, ist vieles beim Auslaufen. Eine letzte Urlaubsvertretung noch, dann müssen die §§ endgültig Platz machen in meinem Kopf für Neues, Weites, Junges, vielleicht auch für Nichts, aber Platz machen müssen sie. So wie die zu 150% funktionierende Mutter in mir Platz machen muss (und will!), mit 67 Jahren darf sie sich aus dem Leben ihres Sohnes zurückziehen und ihn seinen Fähigkeiten überlassen.

Nur die (einmal wöchentlichen) Nachtdienste in der Notschlafstelle möchte ich weiterhin machen, wenn ich aus Nepal zurückkomme (und nicht gleich wieder wegfahre). Sie begleiten mich. Sie sind ein Teil von mir, so wie ich Teil der Straße bin, die endlos ist wie der Himmel. Aufbrechen in einen neuen Lebensabschnitt. Es ist Zeit. Wie sagt Hermann Hesse im Gedicht Stufen? Eh wissen …

Aus der Dal-Küche für Straßenkinder in Kathmandu – so wie ich das ursprünglich vorhatte - wird übrigens nichts. Das hat mir mein Körper in den letzten Monaten mehr als deutlich zu verstehen gegeben. Er meint doch tatsächlich, er sei endlich …

Also breche ich auf ins Ungewisse mit Schlafsack, bequemen Schuhen und Tablet. Ein bisschen muss ich noch üben. Und packen.

NEPAL ist immer gut an Wegkreuzungen. Vor zehn Jahren war ich dort und nach meiner Rückkehr habe ich mich ins Asyl- und Fremdenrecht versenkt und begonnen, Flüchtlinge zu begleiten.

Ich bin zu dumm für dieses Gerät (mein neues Tablet)!

Aber nur fast. Ich habe es geschafft! Ganz ohne fremde Hilfe! Ich habe einen Satz aus einer Notiz am Tablet in diesen Blogartikel (die Überschrift) kopiert! SUPER! Mein computer- und internetresistentes Gehirn hat die Hürde genommen!

Ein weiterer Schritt auf meinem Weg Richtung NEPAL.

Und weil ich mich so freue über diesen unerwarteten Erfolg, wird er hier festgehalten. Wie ein Screenshot.

Ich muss selbständig sein überall auf der Welt, von überall aus alles händeln können, auch hier in Österreich. Deshalb muss ich alte Lady jetzt viele Schritte tun, die ich mit Sicherheit nicht tun würde, würde ich mich hier zur Ruhe setzen.

Der eine oder andere würde lächeln, würde er das lesen. Diesem Lächler würde ich sagen: Brich auch du auf! Geh hinaus aus deiner kleinen, vertrauten Welt! Tu Schritte, die für dich schwierig sind. Und lächle dann!

Mutter(tag)

Eine Mutter ist keine Hausfrau. Eine Mutter ist ein Haus, das bewohnt wird.

Eine Mutter ist nicht die Decke, die die Flamme erstickt. Eine Mutter ist die Hand, die sich schützend um den Docht legt, während eine andere ihn entzündet.

Eine Mutter ist die Hand, die das Licht einer Kerze in sich birgt. Und wenn das Licht stark genug ist, zieht die Hand sich zurück, damit das Licht den Augen die Nacht erhellt.

WO BIST DU JETZT? Du, die du vor zehn Monaten (so lange ist das schon her!) gestorben bist? GEHT ES DIR GUT?

An deinem Grab brennt keine Kerze. Dein Grab ist SO weit weg. Du hast mit dem verfaulenden Haufen Fleisch nichts mehr zu tun.

Bei mir brennt eine Kerze. Jeden Abend. Wenn ich zuhause bin, jeden Abend. Und du lachst mich an.

Ostersonntag

OSTERN

hat mit Sterben zu tun, mit Grausamkeit und mit Schmerzen. Mit Verrat, Verleumdung, Hinrichtung und Tod. Mit blinder Winzigkeit und mit unermesslicher Größe.

Vor allem hat Ostern aber mit Liebe zu tun. Mit Liebe und mit Unsterblichkeit. Der Tod tritt beiseite. Als Illusion.

(Anmerkung: Sollte eigentlich optisch in Gedichtform hier stehen. Aber das vorgegebene Format nimmt das nicht. Egal. Nur Maya …)

Die Woche um Ostern

Würden sich die zweiundfünfzig Wochen, die ein Jahr hat, vor mir in einer Reihe aufstellen und müsste ich eine herausnehmen, ihr ein Pickerl mit der Aufschrift ‚meine Lieblingswoche’ verpassen und sie wieder in die Reihe zurückstellen, würde ich ohne zu denken nach der Woche um Ostern greifen (wollen) und feststellen (müssen), dass das nicht möglich ist. Und dann würde ich hoffentlich gleich zu lachen anfangen (können), weil das zu dieser Woche passt wie das Osterei ins Nest. Diese Woche hat so überhaupt nichts Normales und steht trotzdem nicht außerhalb. Sie lässt sich so wenig in die Reihe der Kalenderwochen eingliedern, wie es möglich ist sie aus den Gliedern dieser Reihe herauszuschälen. Sie hat nicht einmal einen Namen, dabei hat sie so viele, aber jeder beleuchtet nur einen Aspekt. Sie hat keinen Alltag, keine gleichbleibende Nummer im Kalender, weil keinen gleichbleibenden Standort im Jahr, nicht einmal die für eine Woche vorgesehene Anzahl von (nur) sieben Tagen. Und wenn man sich auf sie einlässt, steht man ziemlich bald vor einem Rätsel oder vor einem Mysterium.

Jeder einzelne ihrer Tage ist etwas Besonderes mit seinen Sprücherln, Gebräuchen, seiner Geschichte. Vom Palmbuschen bis zum Spinat, vom Osternesterl bis zur Dornenkrone, Hasenschwanz bis Essigschwamm, Feuerrad und Grabtuch, Würfelspiel, Hahnenschrei, Unmengen bunte Eier und (k)eine Leiche. Diese Woche umfasst alles. Etwas nur hat keinen Platz. Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit, Leere. Diese Woche ist so voll(er Ungereimtheiten), dass man sich wundert, dass sie nicht platzt. Liebe und Hass, Freude und Leid, Leben und Tod stehen in ihr so nahe beisammen wie sonst nie. Man kann sie genauso wenig auseinander klauben in diesen Tagen wie den Gekreuzigten und die Göttin der Morgenröte. Sie sind ineinander verflochten wie ein Striezel.

Der Palmsonntag ist der erste dieser Tage und er eröffnet (mit seinem Hosianna-Geschrei und Ölzweig-Gefuchtel) den Reigen einer Reihe von (fast irrsinnigen) Tagen, die vom Tiefsten bis zum Höchsten alles umfasst. Er ist der Anfang von etwas, dessen Ende (nicht weniger irritierend wie sein) Anfang ist. So wie Judas der Zwillingsbruder von Jesus ist. Jeschua und Jehuda. Hätte Judas nicht getan, was (man sagt, dass) er getan hat, hätte Jesus nicht tun können, was (man sagt, dass) er getan hat. Er hätte den Menschen nicht zeigen können, dass seine Liebe unzerstörbar ist wie er. Judas hat diese Unzerstörbarkeit(en) sichtbar gemacht. Nicht weniger. Judas ist “gut”. Judas ist “schlecht”. Ich möchte die Dinge nicht nur von einer Seite sehen. Wenn man eine Tür immer nur von innen sieht, wird man nie wissen, was und wie es draußen ist. Man wird mit der Zeit nicht einmal mehr wissen, dass die Tür eine Tür ist. Aber nicht, weil die Tür keine Tür ist.

Heute ist Karfreitag und ich befinde mich mitten in einer frühzeitig eingebremsten Entschlackungskur, weil mein Herz befindet, ich soll das Nichts-Essen (das ich bei meinen bisherigen Entschlackungskuren immer gemacht habe) lassen. Also lasse ich es und esse nur weniger, salzlos, ohne Kaffee, wie das halt so geht in einer Entschlackungskur. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich 67 Jahre alt bin und mein Körper diese Extreme nicht mehr will. Es hat einige Tage gedauert, das zu akzeptieren, aber jetzt bin ich damit zufrieden. Ich möchte keinen Tag jünger sein, ich werde mir nie meine Falten aufpolstern lassen und (fast) nie Schminke ins Gesicht schmieren. Es ist ok so. Zurückgeworfen werden auf das Wesentliche ist ein wesentlicher Punkt einer Entschlackungskur, für mich, die ich ohnehin nicht dick bin, der wesentlichste. Diese wenigen Tage jetzt sind sehr wertvoll und sie sind dabei, mir langsam und vorsichtig einige - ganz einfache - wertvolle Einsichten zu bringen.

Ich rate jedem, der eine Entschlackungskur macht: Klinkt euch in dieser Zeit aus dem “Normalen” aus. Nehmt euch die Zeit für euch und die Stille. Was kann einem Menschen besseres passieren, als zurückgeworfen zu werden auf das Wesentliche? Genau das ist Ostern.

Der Karfreitag ist nicht der letzte Tag dieser Woche. Der Ostersonntag auch nicht. Vielleicht gibt es keinen letzten Tag.

Meine Gas- und Stromabrechnungen belegen es:

Es ist ohne Weiteres machbar. Es ist kein Kunststück. Eigentlich macht es sogar Spaß. Es ist kein großes, aber zumindest ein winziges Abenteuer. Den Verbrauch zu reduzieren, den Konsum zurückzufahren. Es ist nicht einmal ein harter Verzicht. Unterm Strich ist es sogar ein Gewinn. (Sogar an Geld. Ich habe keinen Cent nachbezahlt, ich habe überall Geld zurückbekommen.) Es ist ein saugutes Gefühl. Dem eigenen Schweinehund nicht völlig ausgeliefert zu sein. Den ökologischen Fußabdruck kleiner zu machen. Zu entdecken, dass man auch mit weniger GUT leben kann, zufriedener sogar.

Wieso brüllen in diesen Tagen alle MEHR, MEHR? 10%, 12% mehr Gehalt! Mindestens um 500€ pro Monat brauchen wir MEHR! Welche Gewerkschaft ruft in diesen Tagen nicht zu Streiks auf? MEHR! MEHR! Wir wollen MEHR!

Mein Weniger ist mein Mehr. Es macht meinen Blick klar. Hält meinen Geist aktiv. Meinen Körper fit. Meinen Verstand wach.

Meine Guidelines 2023

. bedachtsam sein

. mich weigern Dinge zu tun, die meinen Wertvorstellungen widersprechen

Das sind meine Walkingstöcke 2023 …

Die reinste Form des Wahnsinns

ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass es besser wird.

ALBERT EINSTEIN

Mein Fitnesscenter und mein Physiotherapeut

FITNESSCENTER: Weinberge, Wald, Wege an der Donau

Fitnessgeräte: Walkingstöcke

PHYSIOTHERAPEUT: Buch Yoga gegen Rückenschmerzen von Paramhans Swami Maheshwarananda, eine blitzblaue Yogamatte und 32 Klaviersonaten von Beethoven (Gulda)

Besuch der beiden: (fast) täglich

Kostenpunkt: Null (abgesehen von Stöcken, Buch, Matte und CD‘s)

Einbremsen: Warmwasserverbrauch, aufwendiges Kochen, Einkaufen

WASSER:

Warm duschen nur mehr zweimal in der Woche. Im Übrigen waschen. Nach Möglichkeit (heißt: je nach Tagesverfassung bzw. Tapferkeit …) kalt. Ist gesund.

Auch in anderen Bereichen kann ich warmes Wasser und Wasser generell einsparen. Ich muss nur aufmerksam sein. Die üblichen Routinen beobachten. Einfach nur hinschauen. Dann wird das schon werden (ohne dass die Sauberkeit darunter leidet).

Die Dinge (und das Wasser) nicht mehr laufen lassen. Nirgendwo mehr.

KOCHEN:

Beim Kochen habe ich es leicht. Aufwendiges Kochen war nie meins. Ich mochte es immer gern einfach und vor allem schnell. Der Unterschied zu früher: Ich koche jetzt bewusster. Nicht mehr schnell schnell irgendwas. Aufmerksamer. Und das macht offenbar neugierig. Zumindest probiere ich jetzt gern Neues aus. Heute zum Beispiel Dal. Mein allererstes … Ich muss ja üben …

Und noch etwas fällt mir auf: Je aufmerksamer ich koche, desto mehr geht mein Fleischkonsum zurück. Ganz von allein. Ohne jede Absicht. Rohes Fleisch fühlt sich nicht gut an in der Hand. Es hat so etwas Schlaffes. Totes.

EINKAUFEN:

1) Brauche ich das? Will ich das wirklich?

Diese beiden Fragen, vor allem die zweite, ernsthaft an mich selber gestellt, helfen mir viel Geld sparen. Und Zeit. Und Nerven.

2) Bestandsaufnahme. Hinschauen und wahrnehmen. Was habe ich alles?

Kostbarkeiten kommen auf diese Weise zum Vorschein …

3) Gibt es etwas Gleichwertiges oder Ähnliches, das der Umwelt (und damit mir) weniger weh tut?

So habe ich schon viel Neues entdeckt. Aber auch grauenhafte Gewohnheiten und Vorlieben, die ich (noch) nicht lassen kann.

Gewohnheiten bemerken und aufbrechen. Das ist es. Die Augen aufmachen und hinschauen genügt. Den Blick nicht mehr abwenden. Auch nicht, wenn das Hinschauen unangenehm ist, auch nicht, wenn es weh tut. Vieles erledigt sich so mit der Zeit von selbst.

Zurückdrehen: Heizung und Licht

HEIZUNG:

18,5 Grad. So kalt/warm ist es in meiner Wohnung seit einigen Wochen, wenn ich die Heizung (Gastherme) nicht aufdrehe. Und ich drehe sie nicht auf, solange es nicht kälter wird. Anfangs dachte ich, das geht nicht. Unmöglich. Das ist grausig ungemütlich. Nach mittlerweile fünf Wochen weiß ich: Es geht. Gut. Sogar 18 Grad gehen noch. Aber nur mehr halbwegs …

Und: Ich habe schöne Sachen (wieder)entdeckt, von denen ich gar nicht mehr recht wusste, dass ich sie habe.

- Zwei wunderschöne, weiche Riesenschals aus Nepal, die seit Jahren nutzlos in einer Schublade herumliegen; einer dieser Schals genügt, um mich vom Kopf bis zu den Zehen am Abend beim Fernsehen oder beim Lesen zuzudecken und es kuschelig warm zu haben.

- Wollsocken in bunten Farben, die meine Mutter noch gestrickt hat.

- Jede Menge Pullover, die ich endlich anziehen kann, ohne in ihnen zu schwitzen.

Und das Beste: Mein 66 Jahre alter Körper macht wunderbar mit. Ich bin kein bisschen verkühlt. Nicht einmal eine Coronainfektion vor zwei Wochen machte eine höhere Raumtemperatur nötig.

Und wenn es draußen richtig kalt wird, werde ich meinen Cerberus (schwedischer Kaminofen) im Wohnzimmer regelmäßig einheizen. Das gibt eine feine, knisternde Wärme. Und sollte irgendwann der Strom länger ausfallen, kann ich auf diesem Ofen sogar kochen. Ein Stoß Holzscheiter auf der Terrasse wartet seit Jahren nahezu ungebraucht aufs Verbranntwerden. (Ich war fast immer zu faul zum Einheizen.) Das Kleinholz zum Anzünden bringe ich von meinen Spaziergängen mit, im Wald liegen jede Menge dünne Äste, Zapfen.

Unterm Strich: Ich habe alles, um mich wohlzufühlen. Ich muss es nur verwenden.

LICHT:

Früher hatte ich, sobald es halbdunkel war, überall Licht brennen. In den grauen Herbst- und Wintermonaten also mitunter fast den ganzen Tag. Ich glaubte, das zu brauchen. Aber das stimmt nicht. Jetzt schalte ich das Licht nur dort ein, wo ich es wirklich brauche. Ganz bewusst. Es macht sogar Spaß, Licht und Dunkelheit aufmerksam miteinander wahrzunehmen. Und es ist nicht ungemütlich. Ein dunkler Raum zwischendurch hat etwas, oder ein Raum, in dem nur eine Ecke beleuchtet ist oder in dem nur beim Computer eine Lampe brennt. Die Atmosphäre verliert dadurch nicht. Es ist wie bei einem Bild, einer Geschichte. Dunkle Momente gehören dazu, sie sind nötig, ein Muss, wenn es/sie lebendig sein soll.

Und Kerzen. Sie sind die Stars. Sie kommen viel besser zur Geltung, wenn nicht jeder Winkel ausgeleuchtet ist.

Und wenn es mir trotzdem hin und wieder zu trist ist in diesem chronischen Wiener Nebelgrau, denke ich an die Vielen, die den Luxus eigener vier Wände nicht haben und die jetzt sehr gerne meine Sorgen hätten. Es gibt unglaublich viele Menschen ohne Dach über dem Kopf, auch im reichen Österreich, vor allem in Wien, das nach dem Global Liveability Index der Economist Intelligence Unit auch im Jahr 2022 die Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit ist.

MIR FEHLT NICHTS.

„Warum kochen wir nicht in KABUL für Straßenkinder und alleinstehende Frauen mit Kindern?“

Diese Frage stellt mir gestern allen Ernstes eine ganz liebe Bekannte, die in zwei Monaten in Pension gehen wird und die ich gefragt habe, ob sie sich vorstellen könnte, mit mir in Katmandu eine „Dalküche für Straßenkinder“ aufzumachen.

Weil ich vielleicht doch noch ein kleines bisschen älter als 67 werden möchte … ?

„Ach was! Uns zwei alten Schachteln tun die (Taliban und Co) doch nichts!“

Und dann sprudeln die Vorschläge und Pläne … Und zum Schluss: „Ach ist das schön, wieder einmal ein wenig zu träumen…, aber Achtung: Wenn mich eine Idee packt, dann lasse ich nicht mehr los…“

Wer jetzt meint, diese Frau hat von Afghanistan keine Ahnung, irrt. Gewaltig. Deshalb irritiert mich ihr Vorschlag.

Ich hatte diese Idee selber schon einmal. Allerdings vor der Machtübernahme durch die Taliban. Während des ersten Corona-Lockdowns. Ich erinnere mich noch gut. Ich saß unter einer Birke und schaute in ein Meer von Weinstöcken, als sie urplötzlich da war.

Ich schrieb sie auf:

Wenn die Menschen aus Afghanistan nicht (mehr) zu uns kommen dürfen, könnte/sollte ich zu ihnen gehen. Kochen in Kabul für Straßenkinder. Ein warmes Essen für junges Leben am Abgrund in dieser Eiszeit der Menschlichkeit. Etwas gegen das Erfrieren tun. Auch gegen mein eigenes. Nicht bewusstlos werden wollen in dieser Kälte. Mich dagegen bewegen. Etwas tun, vor dem jeder halbwegs normale Mitbürger zurückschreckt und mir voller Inbrunst ein zu 100% berechtigtes „Du spinnst ja!“ entgegenschleudert, müsste doch etwas mit Lebendigkeit zu tun haben. Auch wenn es ein halbwegs sicherer Selbstmord wäre …

Damals hatte ich allerdings kein Geld, um die Idee umzusetzen. (Zu feig wär ich natürlich auch gewesen.) Und im Sommer 2021 übernahmen dann die Taliban die Macht im Land. Und erlassen seither immer stärkere Repressionen, vor allem gegen Frauen. (Amnesty International hat im Sommer dieses Jahres einen Bericht herausgebracht mit dem Titel: DEATH IN SLOW MOTION - Women and girls under the Taliban rule, der Bericht kann abgerufen werden unter ecoi.net) Das Land am Hindukusch versinkt im tiefsten Elend und Mittelalter. Steinigungen, Hände abhacken u.u.u. Meine Kabul-Straßenkinder-Idee … vergessen und begraben.

Jetzt taucht sie plötzlich wieder auf. Und ein bisschen Geld vielleicht auch. Und eine Frau, die mit mir gehen würde. Von Kopf bis Fuß verschleiert ins Reich der bärtigen Turbanmänner mit Gewehren und Peitschen. Ein paar Schritte vor die Haustür ohne Begleitung eines dazu berechtigten Mannes (Nicht jeder Mann darf das!) können zu Peitschenhieben oder ins Gefängnis führen. NEIN, DANKE! Und zu diesen berauschenden Aussichten durch das winzige Guckloch der Purka kommen noch so Kleinigkeiten wie der IS, massenhaft halb verhungerte Kriminelle und Drogenabhängige und Millionen und Millionen ums splitternackte Überleben Kämpfende.

Allerliebste M., du bist völlig durchgeknallt!

Eine kleine „Dalküche“ in Kathmandu für Straßenkinder

auf die Beine stellen mit meinem Erbteil. Dieser Gedanke geistert seit zwei Tagen in meinem Gehirn herum und führt sich auf wie ein Eroberer. Noch ein(letztes)mal bewusst etwas ganz Neues beginnen in meinem Leben. Etwas, bei dem nur das Herz gefragt ist.

Habe ich überhaupt so viel Herz?

Könnte ich das noch schaffen mit meinen bald 67 Jahren? Ich, bei der Kochen ganz unten auf der Liste der Talente und Neigungen steht? Wieviel Geld würde ich brauchen, um so etwas auf die Füße zu stellen? Wieviel Geld würde ich brauchen, um dieses Etwas dann am Laufen zu halten? Wie lange würde ich das durchhalten können mit einer Summe Geld, für die man in Wien bestenfalls eine Garconniere kaufen kann? Gibt es in Kathmandu überhaupt Kinder, die auf der Straße leben? (Saublöde Frage. Freilich.) Welche Genehmigungen brauche ich dafür? Einen Aufenthaltstitel in Nepal würde ich auf jeden Fall brauchen. Bin ich noch gesund genug, habe ich noch die Kraft für etwas so völlig Neues, Fremdes, das 100% Einsatz von mir verlangt? Bin ich dazu überhaupt noch bereit? Noch verrückt genug?

BIN ICH BLÖD? Und warum ausgerechnet Kathmandu?

Weil es dort friedlicher ist als in Kabul. Und weil ich Nepal mag. Das Land. Die Menschen. Die Energie dort. Ja. Blöd bin ich. Ohne jeden Zweifel.

Ein aktuelles Buch über Nepal könnte ich mir trotzdem besorgen. Und anfangen zu sparen und meine Bedürfnisse zurückzuschrauben. Das wollte ich ja ohnehin. Entschlacken und mich fit machen für das Neue, das überall in der Luft liegt, das Fremde, das mit Riesenschritten auf uns zukommt.


12 Stunden im Zug sitzen (6 hin und 6 zurück),

nur um eine halbe Stunde vor dem Notartermin (Verlassenschaftsabhandlung) von meinem heißgeliebten Brüderlein die trockene Information zu bekommen: „Ich muss noch nachdenken. Ich muss in den nächsten Tagen noch mit meinen Kindern reden.“ Als gäbe es kein Telefon, als wären nicht bereits vier Monate mit Nachdenken vergangen, als hätte es die Aussage „Bis zum Notartermin habe ich mich entschieden“ nie gegeben, als hätten wir uns vor ein paar Wochen nicht endlich darauf geeinigt, das Haus zu verkaufen.

Verlassenschaftsverfahren sollten zwingend Psychiater beigezogen werden. Um 23:30 Uhr war ich wieder zuhause.

Heute Morgen vor dem Aufwachen träumte ich, dass mich meine Mutter ganz aktiv dabei unterstützte, anderen Menschen zu helfen. Diese Menschen lagen halb tot oder sterbend, zumindest alle irgendwie verrenkt auf einem Haufen auf oder neben der Straße, einer von ihnen hatte ein grobes Leinentuch über dem Gesicht, es schien daran festgewachsen, festgeklebt, es sah aus, als müsse er große Schmerzen haben. Ich stand da, wusste nicht, was tun, wo anpacken, ob überhaupt anpacken. Mir erschien die Situation ausweglos, viel zu “groß” für mich Winzling. Am besten weitergehen, dachte ich. Aber da war auch meine Mutter und sie ergriff die Initiative, packte an, wir packten an, griffen hinein in den verrenkten Gliederhaufen und gemeinsam schafften wir es, die Menschen wieder aufzurichten, aufzupäppeln. Als ich aufwachte, sah ich gerade noch den Mann, der das Tuch über dem Gesicht gehabt hatte, im Wohnzimmer meines Elternhauses auf der Couch sitzen, jetzt ohne Tuch, er war jung mit Lockenkopf, das Gesicht sehr sympathisch, er lachte.

Traumdeuter wären auch gut …

Würde dieses Blatt nicht zu Boden fallen,

wovon sollte sich die Erde ernähren?

buchberg-herbst-und-sonne-124

Würden wir nicht sterben, wovon sollten unsere Kinder leben?