BIA Bodhisattwas In Action

Der Name ist 50 Stockwerke zu hoch gegriffen, aber die Einrichtung - ebenfalls für Behinderte - ist beeindruckend.

Gegründet 2014 von einem Buddhisten und betrieben ausschließlich mit Spendengeldern und den Erlösen aus dem Verkauf der durch die Behinderten hergestellten Waren und deren Dienstleistungen.

Hier werden Künstler, zumindest Kunsthandwerker ausgebildet!

An zwei Standorten gibt es verschiedenste tolle Handwerksprojekte: Thanka Malen, Thankas durch Applikationen herstellen, Teppiche weben, Metallstatuen herstellen (für die Nepal berühmt ist, wie etwa Buddhastatuen), Holzschnitzereien, Dhakas (ein spezieller Stoff, aus dem Schals und Kappen hergestellt werden), Malas (Ketten zum Mantraszählen, ähnlich wie bei uns Rosenkränze), Räucherstäbchen (ich wusste bisher nicht, dass die Masse, die aus Kräutern hergestellt wird, durch etwas wie eine Faschiermaschine gedreht wird …), Handwerk aus Bambus, Stoff, Sticken, Nähen, Malen, Kunsttherapie, Reparaturarbeiten, Landwirtschaft.

Und viel Sport. Es gibt mittlerweile einen Rollstuhlmarathon, Rollstuhl-Basketballspieler, Rollstuhl-Cricketspieler, Schwimmer …

Ich habe in der Einrichtung in Kathmandu kein einziges trauriges Gesicht gesehen. Nicht einmal ein teilnahmsloses. Alle waren gut drauf. Mit Eifer und Freude dabei.

Derzeit arbeiten 135 Behinderte in diesen beiden Einrichtungen. Teilweise wohnen sie dort, teilweise außerhalb.

Da der Gründer ein bekannter Rinpoche ist, hat er natürlich einen entsprechenden Pool von Spendern und Spendengeldern, ohne die dieses Projekt in dieser Form nicht möglich wäre. Aber auch hier besteht das Problem der auslaufenden Pachtverträge … Dank der fleißigen Spender konnte in Pharping (30 km außerhalb von Kathmandu) ein Grundstück erworben werden und sobald genug Geld vorhanden ist, wird mit dem Bau begonnen. Ich glaube, wer sich hier in die lange Reihe der Spender einreiht, legt sein Spendengeld sehr gut an. Hier gibt es keine schnell aufgestellten Wellblechhütten. Dieses Projekt hat Hand und Fuß. Besser: viele Hände und viele Füße und ein paar engagierte Superköpfe dahinter.

Wär das was für mich und meinen Vorsatz, mein Erbe sinnvoll einzusetzen? Oma, was meinst du?

Im Internet übrigens gar nicht so leicht zu finden. BIA Institute.

Possible Life Center

Auch Privatinitiative, auch Wellblech, auch engster Raum, auch durch Polio oder Verbrennungen deformierte Menschen. Aber im Unterschied zum Disabled Service Center leben hier keine behinderten Einzelpersonen, sondern Familien, in denen beide Elternteile schwer behindert sind. 6 Ehepaare mit insgesamt 10 gesunden Kindern. Jede Familie bewohnt einen Wellblechraum.

Was sofort auffällt: Die Stimmung und Energie ist hier eine völlig andere als im Disabled Service Center. Unglaublich, wieviel Kraft und Freude Menschen aus einer Familie erwachsen kann! Auch hier wird gearbeitet, auch hier gibt es Menschen, die auf allen Vieren gehen, auch hier gibt es Bein- und Armamputierte, der Leiter dieses Centers sitzt ebenfalls im Rollstuhl, ist klein, dünn und wenn er den Rollstuhl verlässt, wird erst sichtbar, wie verkrümmt er ist. Trotzdem lacht er und ist sehr, sehr freundlich. Und fordert nichts. Die Frauen sind ohne Ausnahme schön (tatsächlich!), tragen leuchtende Gewänder, darunter entweder Armstummel, Beinprothesen oder völlig verschieden lange Beine, und zeigen mir mit Stolz ihre sauberen, winzigen Wohnbereiche und vor allem ihre gesunden Kinder, die alle dank Spendengeldern eine Privatschule besuchen können und so die bestmögliche Ausbildung erhalten. Und jeder der Männer hier ist stolz auf seine schöne Frau (”Die hier ist meine!”) und auf die gesunden Kinder.

Mir war bis zum heutigen Tag nicht bewusst, was Polio mit Körpern anstellen kann. Und auch nicht, welche Kraftzelle eine Familie sein kann. Diese Menschen bewältigen ihr Leben und sie leben es mit Freude. Miteinander.

Disabled Service Center

Auch hier Wellblechhütten. Auch hier auf kleinstem Raum. Auch hier Privatinitiative. Derzeit leben 32 Personen hier. In den kleinen Räumen (um nicht zu sagen Verschlägen) Bett an Bett an Bett … Die meisten sind körperlich schwer behindert. Viele sitzen im Rollstuhl, ihre Körper sind auf verschiedenste Art deformiert. Ursache meist Polio. Manche sind so deformiert, dass sie außerhalb des Rollstuhls auf allen Vieren daherkommen. Auch Verbrennungen sind hier in Nepal oft Ursache für schwere Behinderungen bzw. Amputationen. Und natürlich Unfälle. Unterstützung vom Staat: maximal 4.000 NR (28€) pro Monat. Wer hier nicht behindert ist, ist sehr alt, hat keine Familie, die ihn/sie unterstützt und kein Geld.

Die Behinderten, die irgendwie können, werden in Fertigkeiten wie Nähen, Basteln, Stricken, Sticken geschult, damit sie zu ihrem Lebensunterhalt beitragen und ihre Tage mit etwas wie Sinn füllen können. Die hergestellten Sachen versuchen sie, auf der Straße und im Center zu verkaufen. Der fromme Wunsch bzw. das Ziel ihres Aufenthalts im Disabled Service Center ist, dass sie das Center irgendwann wieder verlassen und ihr Leben aus Eigenem bestreiten können. “Aber wir zwingen niemand, wieder zu gehen.”

Abgesehen von den wirklich widrigen Lebensumständen dieser Menschen ihr größtes Problem: Der auf 10 Jahre abgeschlossene Pachtvertrag läuft in zwei Jahren aus und der Eigentümer will ihn nicht verlängern, sondern das (kleine) Grundstück verkaufen - um stolze 145.000 €. “Wir müssen dieses Geld mit Spendengeldern zusammenbringen!” So der Leiter des Centers, ebenfalls im Rollstuhl. Vehement. Und immer wieder wie ein Mantra. Auf meine Frage: “Wie wäre es mit einem Grundstück außerhalb von Kathmandu?” “Nein! Wir wollen nicht von hier fort! Da können wir unsere Sachen nicht verkaufen!”

Dann träum weiter. Aber ohne mich.

“Today I’ll show you the Blind Center!”

Von wegen …

13 komplett Blinde, 3 “half blinds”, 3 psychisch Kranke (ein Ehepaar mit erwachsenem Sohn), 6 alte Menschen, die keine Bleibe haben, 3 Behinderte im Rollstuhl, 7 Kinder von Blinden, die hier leben und 13 Kinder, die entweder Vollwaisen sind oder deren Eltern so arm sind, dass sie die Kinder nicht ernähren können. Insgesamt also 48 Personen (derzeit). Plus mindestens eine Kuh, Hühner, ein Hund und eine junge Katze.

Und alle diese Menschen und Tiere (die Tiere haben keinen eigenen Stall, die Kuh, die ich sehe, ist unter einem Wellblechdach neben den Wohnbereichen angebunden, der Rest läuft frei herum) leben auf kleinstem Raum dicht an dicht in Wellblechhütten rund um einen winzigen Platz, in dessen Mitte unter einem notdürftigen Dach lange Tische und Bänke aufgestellt sind. Hier wird gegessen und die Kinder können hier die Schulaufgaben machen, wenn sie sie machen, denn Betreuer gibt es keinen. Das jüngste Waisenkind ist vier Jahre.

Reiner Luxus ist ein Gebetsraum und ein WC für Gäste. Die sanitären Anlagen und die Küche spotten jeder Beschreibung.

Eine junge Frau führt mich durch. Mich wundert, dass ich keine Ratten und Mäuse herumflitzen sehe, denn geben tut es sie hier mit Sicherheit.

In jedem der Wellblechverschläge - egal, ob ein blindes Paar mit Kindern dort wohnt oder in vier Betten acht Waisenkinder hausen, oder Behinderte im Rollstuhl oder die psychisch kranke Familie - bekomme ich auf meine Frage “Wer putzt hier?” die gleiche Antwort. “Sie selber.”

Wie putzt ein Blinder, eine Frau im Rollstuhl, ein psychisch Kranker? Wie putzen Kinder?

Gekocht wird von der Volontärin, die mich durchführt und einen Mann gibt es, der die Reparaturen überhat.

Neben diesem Mini-Slum, der als Privatinitiative ins Leben gerufen wurde und auf gepachtetem Boden steht, gibt es eine Fläche, die der Staat für den Anbau von Gemüse zur Verfügung stellt, Wohngebäude dürfen dort keine errichtet werden.

“Bekommen die Menschen vom Staat finanzielle Unterstützung?” “Die vollständig Blinden und die, die den ganzen Tag nur im Bett liegen können, bekommen 4.000 NR pro Monat (28€), die weniger stark Behinderten die Hälfte.”

Wer in der Landwirtschaft mitarbeiten kann, tut es, die vollständig Blinden gehen in Begleitung ihrer sehenden Kinder betteln (obwohl Betteln verboten ist …)

Alle Kinder gehen in die Schule und der Vierjährige in den Kindergarten. Die Kinder gehen allerdings in die staatliche Schule, weil “zuhause” niemand mit ihnen lernt und sie daher in einer Privatschule nie mitkommen würden. “Das wäre Verschwendung von Spendengeld.”

Das Schulgeld, Geld für Gewand, Blindenstöcke, Rollstühle und alles, was unbedingt notwenig ist fürs Überleben dieser zusammengewürfelten Gemeinschaft kommt von privaten Spendern. Es reicht zum Existieren.

Mein Hirn steht still.

Eigentlich hätte heute ein PUJA-Tag werden sollen …

Nicht dass ich mit dem tibetischen Buddhismus, der hier gelebt und gelehrt wird, etwas anfangen könnte - das habe ich vor 10 Jahren in einem Kloster hier in Nepal sechs Wochen lang versucht, zu meiner Enttäuschung aber festgestellt, dass dieser Zweig des Buddhismus vor Regeln, Fegefeuern und Höllen nur so strotzt und mit dem, was ich mir unter Buddhismus vorstelle, nichts zu tun hat.

Ich wollte heute nur den Gebeten der Mönche zuhören und ihren Rhythmus und die eigenartige Musik auf mich wirken lassen. Und da heute ein besonderer Tag für die Buddhisten ist (heute wird der Aspekt der WEISHEIT besonders geehrt) und sich die Pujas daher über den ganzen Tag erstrecken, wird heute ein Puja-Tag, dachte ich.

Nach zwei Stunden war der Puja-Tag für mich vorbei und ich flüchtete entsetzt in ein Kaffeehaus. Was für ein lächerliches Schauspiel!

Was hier geschieht, kann doch kein ernstzunehmender Lama oder Mönch gut heißen. Das ist lupenreiner Ablasshandel! Die Gläubigen kommen der Reihe nach in den Gebetsraum, aber nicht um zu beten, sie lassen sich vom Lama oder Obermönch “blessings” geben und einen weißen oder gelben Schal umhängen und gehen anschließend mit einem dicken Geldbündel in der Hand von einem Mönch zum anderen und legen Geldscheine vor jeden einzelnen hin. Und wenn sie damit fertig sind, gehen sie zu einem Behältnis, in dem schon Unmengen an Geldscheinen stecken und stopfen noch weitere hinein. Damit lassen es einige gut sein und verlassen zufrieden den Gebetsraum - damit ist der Weisheit offenbar gehuldigt genug - , andere setzen noch eins drauf und werfen sich vor der Mönchsgemeinschaft in Pose für ein Selfi, das sie anschließend ihren Followern schicken? Kein Einziger betet mit. Ich habe keinen der Laien beten sehen. Vielleicht wissen sie gar nicht, was die Mönche daherleiern und denken, das Beten ist der Job der Mönche, dafür werden sie schließlich von ihnen bezahlt …

Das mitansehen müssen … diese Winzigkeit auf beiden Seiten … diese Erbärmlichkeit auf beiden Seiten …

Was bitte geht im Hirn dieser Mönche und Lamas vor? Glauben sie allen Ernstes, sie könnten/müssten dem Einzelnen seinen Kontakt zum Geistigen (abgesehen vom Mantraherleiern) abnehmen? Glauben sie tatsächlich, sie könnten mit ihrem angelernten Dohuwabohu an Sprüchen, Bewegungen und Ritualen die Situation auf der Welt zum Besseren wenden?

Und die sogenannnten Gläubigen glauben das auch? Nach dem Motto: “Da Papa wird’s scho richt’n. Das g’hört zu seinen Pflicht’n.”

Ich bin immer noch halbwegs fassungslos. Beim Buddhismus hätte ich das nicht erwartet, zumindest nicht in dieser Ausprägung. Aber ich habe mittlerweile köstliche Momos mit Gemüse und Käse gegessen und jetzt gibt’s noch einen Cappucino. Ob mit oder ohne Mehlspeise bleibt abzuwarten.

Und morgen fahre ich in ein Behindertenzentrum und schaue, wie und ob ich mich in den letzten Wochen meines Nepalaufenthaltes nützlich machen kann. Danke, ihr sinnlosen Mönche für diesen ungewollten Arschtritt!

“Are you travelling alone, mam?”

Diese Frage höre ich oft. Und meine Antwort ist immer die gleiche: “Yes, I’m travelling alone.” Die Frage nach meinem Alter trauen sich die meisten dann nicht mehr zu stellen. Es ist offenbar ungewöhnlich, dass ältere Damen allein in der Weltgeschichte herumgondeln.

Ich bin sehr zufrieden damit. Es hat eine Zeit in meinem Leben gegeben, da habe ich mir nichts zugetraut. Überhaupt nichts. Seither ist viel Zeit vergangen und ich habe einen langen Weg zurückgelegt. Jetzt bin ich 67 Jahre alt und reise allein durch Nepal. Suche mir Orte aus, wo ich hin möchte, organisiere mir Zimmer und Transportmittel. Und dann besuche ich einen Ort nach dem andern.

“Dass du dir das noch antust!”, sagen die, die noch nie in ihrem Leben allein eine Reise unternommen haben und sich das auch nie getrauen würden. Ja, ich tu mir das an. Seit vielen Jahren. Dass ich mein Leben selbst gestalte und meine Entscheidungen selbst verantworte. Und tue, was mir wichtig ist, egal, ob mich dabei jemand begleitet oder nicht.

Das ist ein gutes Gefühl. Die eigenen Beine zu gebrauchen. Und es hält fit. Nicht nur körperlich.

Außerdem ist es eine gute Übung. Denn irgendwann muss jeder gehen. Allein.

Die Erde bebt wieder einmal in Nepal.

Zu meinem Glück weit weg. 400 km oder mehr.

Fünf Minuten von mir entfernt ist ein Kloster. Dorthin gehe ich jetzt und nehme an einer PUJA der Mönche teil. Das wollte ich heute sowieso. Unabhängig vom Erdbeben. Trotzdem wird die Qualität eine andere sein.

Nein. Keine Puja. In diesem Kloster findet heute keine mehr statt. Dafür viele Hubschrauber und Flugzeuge am Himmel. Und rund um den großen STUPA von Boudha Massen von Menschen. Heute ist Samstag und Samstag ist wie bei uns Sonntag.  Vielleicht ist jeden Samstag hier die Hölle los.

So weiß sind sie gar nicht mehr.

Die Götter in Eis. Die Langtang- Kette ist erschreckend grau unter dem Weiß.

Was passiert mit uns, wenn das Eis von diesen Göttern verschwindet?

Was immer es auch sein wird - alles, was dann geschieht, ist unser Werk …

Wie Götter in Eis wachsen sie aus dem goldenen Dunst der Morgensonne.

Glücklicherweise kann ich keine Fotos hochladen. Das, was hier geschieht, kann kein Foto festhalten oder auch nur ansatzweise hinüber/herüber bringen.

Das kann jeder nur selber erleben.

Und ich hatte heute das Glück, dass in der Nacht so viel los war - ich glaube, es waren junge Italiener, die auf ihren Balkonen gejohlt, gelacht und getrunken und Gläser an die Wand oder auf den Boden geworfen haben - dass ich um 6 Uhr Früh ziemlich allein war mit den weißen Giganten und der aufgehenden Sonne, weil die anderen Hotelgäste noch halb tot vom Alkohol oder der notgedrungen schlaflosen Nacht in ihren Betten lagen. Es ist nämlich hundert und eins, ob links und rechts geredet, gelacht und fotografiert wird oder nicht. Ich hatte heute das große Glück des nicht. Dafür danke, ihr nächtlichen Randalierer!

Schreiben möchte ich über diese Augenblicke nicht. Ich möchte nur danke sagen.

DANKE für diesen Morgen!

Seit über einem Monat in Nepal

Keine Fotos (weil das Hochladen nicht mehr funktioniert), keine Weisheiten, keine Erleuchtung.

Viele Tempel, Stupas, 8000er und (während des Dahsein-Festes geopferte) kopflose Tiere. Noch mehr Dreck, Staub, Müll, Motorräder, Straßenhunde. Unglaublich viel Armut und Freundlichkeit. Husten. Vom vielen Staub. Ausspucken, nicht vorwiegend männlich. Stufen ohne Ende. Mönchsgesänge, Getrommle, Getröte, Gescheppere lange vor Sonnenaufgang. Zikaden, deren gleichförmiges, unglaublich lautes Zirpen durch einen durchgeht wie ein Messer. Tanzende Frauen ohne Beine (unterhalb der Knie). Schöne Landschaften (no na …), köstliche Momos. So gut wie jedes “Hotel” eine Überraschung, Clowns ohne Grenzen in Kathmandu. Straßen, als wäre das Erdbeben von 2015 gestern gewesen. (Für 200 km zwischen Kathmandu und Pokara haben wir 12 Stunden gebraucht …) Lange schwarze Haare und leuchtende Gewänder über dunkler, weiblicher Haut. Fast jede Nepalesin ist schön. Skulpturen aus Stein, Holz, Metall zum Niederknien. Thangkas. Zwei davon in meinem Koffer. Butterlampen. Touristen in einem Cafe, die sich schreiend vor einer Ratte, die durchs Lokal flitzt, auf die Barhocker flüchten. Ein Büffel, der einen Monat lang in einem winzigen, finsteren Raum eingesperrt, dann mit Bier angefüllt von maskierten Männern durch die Straßen von Bhaktapur getrieben und geköpft wird. 200 Menschen, darunter der Präsident des Landes, die Tags darauf sein Fleisch als Festmahl genießen. Supergutes Vegetable Chowmein um weniger als 2 €. Ich jetzt mit kalten Füßen und heißem Tee im warmen Bett. Morgen um 6:00 Uhr Tagwache, um 6:12 Uhr Sonnenaufgang mit Blick auf die Riesen des Himalaya ganz bequem von der Terrasse aus.

Einige Antworten auf nicht gestellte Fragen.

Muss wirklich viel Anfang sein …

Sogar meine Webseite ist am Ende. Das Blog ist das Einzige, das noch funktioniert. Fotos kann man allerdings keine mehr hochladen.

Der Befund eines Computerfachmannes: “Das System ist leider hoffnungslos veraltet.” Patient liegt im Sterben.

Drei Tage hab ich jetzt gebraucht, um diese Tatsache zu realisieren. Ich bin ein Schreiberling. Ich hänge an Geschriebenem. Auch wenn es niemand liest. Aber ich habe die Texte und die Blogbeiträge - mit viel Liebe - in die Welt hineingestellt, hinausgeschickt. Und jetzt verschwinden sie.

Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde! (Hermann Hesse, Stufen)

Wo viel Ende, da viel Anfang.

Diesen Satz sollten wir uns vor Augen halten in Zeiten wie diesen. An ihm kann man sich anhalten wie am Klettersteig an einem Seil. Ich zumindest mache das, mit immer mehr mehr Vertrauen. In meinem Leben ist dieser Satz wahr.

Vieles ist und vieles geht jetzt zu Ende. Die Verlassenschaft nach meiner Mutter ist abgewickelt. Die Beziehung zu meinem Bruder zerbrochen. Mein Elternhaus ist nicht mehr mein Elternhaus. Der Pinzgau als mein zweites Zuhause bis auf Weiteres eine Erinnerung. Auch hier im hitzegebeutelten Osten, meinem „ersten” Zuhause, ist vieles beim Auslaufen. Eine letzte Urlaubsvertretung noch, dann müssen die §§ endgültig Platz machen in meinem Kopf für Neues, Weites, Junges, vielleicht auch für Nichts, aber Platz machen müssen sie. So wie die zu 150% funktionierende Mutter in mir Platz machen muss (und will!), mit 67 Jahren darf sie sich aus dem Leben ihres Sohnes zurückziehen und ihn seinen Fähigkeiten überlassen.

Nur die (einmal wöchentlichen) Nachtdienste in der Notschlafstelle möchte ich weiterhin machen, wenn ich aus Nepal zurückkomme (und nicht gleich wieder wegfahre). Sie begleiten mich. Sie sind ein Teil von mir, so wie ich Teil der Straße bin, die endlos ist wie der Himmel. Aufbrechen in einen neuen Lebensabschnitt. Es ist Zeit. Wie sagt Hermann Hesse im Gedicht Stufen? Eh wissen …

Aus der Dal-Küche für Straßenkinder in Kathmandu – so wie ich das ursprünglich vorhatte - wird übrigens nichts. Das hat mir mein Körper in den letzten Monaten mehr als deutlich zu verstehen gegeben. Er meint doch tatsächlich, er sei endlich …

Also breche ich auf ins Ungewisse mit Schlafsack, bequemen Schuhen und Tablet. Ein bisschen muss ich noch üben. Und packen.

NEPAL ist immer gut an Wegkreuzungen. Vor zehn Jahren war ich dort und nach meiner Rückkehr habe ich mich ins Asyl- und Fremdenrecht versenkt und begonnen, Flüchtlinge zu begleiten.

Ich bin zu dumm für dieses Gerät (mein neues Tablet)!

Aber nur fast. Ich habe es geschafft! Ganz ohne fremde Hilfe! Ich habe einen Satz aus einer Notiz am Tablet in diesen Blogartikel (die Überschrift) kopiert! SUPER! Mein computer- und internetresistentes Gehirn hat die Hürde genommen!

Ein weiterer Schritt auf meinem Weg Richtung NEPAL.

Und weil ich mich so freue über diesen unerwarteten Erfolg, wird er hier festgehalten. Wie ein Screenshot.

Ich muss selbständig sein überall auf der Welt, von überall aus alles händeln können, auch hier in Österreich. Deshalb muss ich alte Lady jetzt viele Schritte tun, die ich mit Sicherheit nicht tun würde, würde ich mich hier zur Ruhe setzen.

Der eine oder andere würde lächeln, würde er das lesen. Diesem Lächler würde ich sagen: Brich auch du auf! Geh hinaus aus deiner kleinen, vertrauten Welt! Tu Schritte, die für dich schwierig sind. Und lächle dann!

Mutter(tag)

Eine Mutter ist keine Hausfrau. Eine Mutter ist ein Haus, das bewohnt wird.

Eine Mutter ist nicht die Decke, die die Flamme erstickt. Eine Mutter ist die Hand, die sich schützend um den Docht legt, während eine andere ihn entzündet.

Eine Mutter ist die Hand, die das Licht einer Kerze in sich birgt. Und wenn das Licht stark genug ist, zieht die Hand sich zurück, damit das Licht den Augen die Nacht erhellt.

WO BIST DU JETZT? Du, die du vor zehn Monaten (so lange ist das schon her!) gestorben bist? GEHT ES DIR GUT?

An deinem Grab brennt keine Kerze. Dein Grab ist SO weit weg. Du hast mit dem verfaulenden Haufen Fleisch nichts mehr zu tun.

Bei mir brennt eine Kerze. Jeden Abend. Wenn ich zuhause bin, jeden Abend. Und du lachst mich an.

Ostersonntag

OSTERN

hat mit Sterben zu tun, mit Grausamkeit und mit Schmerzen. Mit Verrat, Verleumdung, Hinrichtung und Tod. Mit blinder Winzigkeit und mit unermesslicher Größe.

Vor allem hat Ostern aber mit Liebe zu tun. Mit Liebe und mit Unsterblichkeit. Der Tod tritt beiseite. Als Illusion.

(Anmerkung: Sollte eigentlich optisch in Gedichtform hier stehen. Aber das vorgegebene Format nimmt das nicht. Egal. Nur Maya …)

Die Woche um Ostern

Würden sich die zweiundfünfzig Wochen, die ein Jahr hat, vor mir in einer Reihe aufstellen und müsste ich eine herausnehmen, ihr ein Pickerl mit der Aufschrift ‚meine Lieblingswoche’ verpassen und sie wieder in die Reihe zurückstellen, würde ich ohne zu denken nach der Woche um Ostern greifen (wollen) und feststellen (müssen), dass das nicht möglich ist. Und dann würde ich hoffentlich gleich zu lachen anfangen (können), weil das zu dieser Woche passt wie das Osterei ins Nest. Diese Woche hat so überhaupt nichts Normales und steht trotzdem nicht außerhalb. Sie lässt sich so wenig in die Reihe der Kalenderwochen eingliedern, wie es möglich ist sie aus den Gliedern dieser Reihe herauszuschälen. Sie hat nicht einmal einen Namen, dabei hat sie so viele, aber jeder beleuchtet nur einen Aspekt. Sie hat keinen Alltag, keine gleichbleibende Nummer im Kalender, weil keinen gleichbleibenden Standort im Jahr, nicht einmal die für eine Woche vorgesehene Anzahl von (nur) sieben Tagen. Und wenn man sich auf sie einlässt, steht man ziemlich bald vor einem Rätsel oder vor einem Mysterium.

Jeder einzelne ihrer Tage ist etwas Besonderes mit seinen Sprücherln, Gebräuchen, seiner Geschichte. Vom Palmbuschen bis zum Spinat, vom Osternesterl bis zur Dornenkrone, Hasenschwanz bis Essigschwamm, Feuerrad und Grabtuch, Würfelspiel, Hahnenschrei, Unmengen bunte Eier und (k)eine Leiche. Diese Woche umfasst alles. Etwas nur hat keinen Platz. Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit, Leere. Diese Woche ist so voll(er Ungereimtheiten), dass man sich wundert, dass sie nicht platzt. Liebe und Hass, Freude und Leid, Leben und Tod stehen in ihr so nahe beisammen wie sonst nie. Man kann sie genauso wenig auseinander klauben in diesen Tagen wie den Gekreuzigten und die Göttin der Morgenröte. Sie sind ineinander verflochten wie ein Striezel.

Der Palmsonntag ist der erste dieser Tage und er eröffnet (mit seinem Hosianna-Geschrei und Ölzweig-Gefuchtel) den Reigen einer Reihe von (fast irrsinnigen) Tagen, die vom Tiefsten bis zum Höchsten alles umfasst. Er ist der Anfang von etwas, dessen Ende (nicht weniger irritierend wie sein) Anfang ist. So wie Judas der Zwillingsbruder von Jesus ist. Jeschua und Jehuda. Hätte Judas nicht getan, was (man sagt, dass) er getan hat, hätte Jesus nicht tun können, was (man sagt, dass) er getan hat. Er hätte den Menschen nicht zeigen können, dass seine Liebe unzerstörbar ist wie er. Judas hat diese Unzerstörbarkeit(en) sichtbar gemacht. Nicht weniger. Judas ist “gut”. Judas ist “schlecht”. Ich möchte die Dinge nicht nur von einer Seite sehen. Wenn man eine Tür immer nur von innen sieht, wird man nie wissen, was und wie es draußen ist. Man wird mit der Zeit nicht einmal mehr wissen, dass die Tür eine Tür ist. Aber nicht, weil die Tür keine Tür ist.

Heute ist Karfreitag und ich befinde mich mitten in einer frühzeitig eingebremsten Entschlackungskur, weil mein Herz befindet, ich soll das Nichts-Essen (das ich bei meinen bisherigen Entschlackungskuren immer gemacht habe) lassen. Also lasse ich es und esse nur weniger, salzlos, ohne Kaffee, wie das halt so geht in einer Entschlackungskur. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich 67 Jahre alt bin und mein Körper diese Extreme nicht mehr will. Es hat einige Tage gedauert, das zu akzeptieren, aber jetzt bin ich damit zufrieden. Ich möchte keinen Tag jünger sein, ich werde mir nie meine Falten aufpolstern lassen und (fast) nie Schminke ins Gesicht schmieren. Es ist ok so. Zurückgeworfen werden auf das Wesentliche ist ein wesentlicher Punkt einer Entschlackungskur, für mich, die ich ohnehin nicht dick bin, der wesentlichste. Diese wenigen Tage jetzt sind sehr wertvoll und sie sind dabei, mir langsam und vorsichtig einige - ganz einfache - wertvolle Einsichten zu bringen.

Ich rate jedem, der eine Entschlackungskur macht: Klinkt euch in dieser Zeit aus dem “Normalen” aus. Nehmt euch die Zeit für euch und die Stille. Was kann einem Menschen besseres passieren, als zurückgeworfen zu werden auf das Wesentliche? Genau das ist Ostern.

Der Karfreitag ist nicht der letzte Tag dieser Woche. Der Ostersonntag auch nicht. Vielleicht gibt es keinen letzten Tag.

Meine Gas- und Stromabrechnungen belegen es:

Es ist ohne Weiteres machbar. Es ist kein Kunststück. Eigentlich macht es sogar Spaß. Es ist kein großes, aber zumindest ein winziges Abenteuer. Den Verbrauch zu reduzieren, den Konsum zurückzufahren. Es ist nicht einmal ein harter Verzicht. Unterm Strich ist es sogar ein Gewinn. (Sogar an Geld. Ich habe keinen Cent nachbezahlt, ich habe überall Geld zurückbekommen.) Es ist ein saugutes Gefühl. Dem eigenen Schweinehund nicht völlig ausgeliefert zu sein. Den ökologischen Fußabdruck kleiner zu machen. Zu entdecken, dass man auch mit weniger GUT leben kann, zufriedener sogar.

Wieso brüllen in diesen Tagen alle MEHR, MEHR? 10%, 12% mehr Gehalt! Mindestens um 500€ pro Monat brauchen wir MEHR! Welche Gewerkschaft ruft in diesen Tagen nicht zu Streiks auf? MEHR! MEHR! Wir wollen MEHR!

Mein Weniger ist mein Mehr. Es macht meinen Blick klar. Hält meinen Geist aktiv. Meinen Körper fit. Meinen Verstand wach.

Meine Guidelines 2023

. bedachtsam sein

. mich weigern Dinge zu tun, die meinen Wertvorstellungen widersprechen

Das sind meine Walkingstöcke 2023 …

Die reinste Form des Wahnsinns

ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass es besser wird.

ALBERT EINSTEIN

Mein Fitnesscenter und mein Physiotherapeut

FITNESSCENTER: Weinberge, Wald, Wege an der Donau

Fitnessgeräte: Walkingstöcke

PHYSIOTHERAPEUT: Buch Yoga gegen Rückenschmerzen von Paramhans Swami Maheshwarananda, eine blitzblaue Yogamatte und 32 Klaviersonaten von Beethoven (Gulda)

Besuch der beiden: (fast) täglich

Kostenpunkt: Null (abgesehen von Stöcken, Buch, Matte und CD‘s)