Der Aufprall danach

in der gewöhnlichen Welt ist hart.

An einem Sterbebett igelt man sich anfangs meistens ein, aus Angst vor dem Sensenmann, der hier seine Arbeit tut, werden 150% der verfügbaren Abwehrraketen und Nuklearsprengköpfe ausgefahren, um das Furchtbare, das da geschieht, von sich fernzuhalten, nur ja nichts an sich heranzulassen, auch die eigenen Gefühle und Abgründe nicht. Wenn man sich dann aber einlässt auf das, was geschieht, öffnet man sich. Weit. Anders könnte man sich auf diesen Prozess nicht einlassen. Man lässt alles zu (und wird beschenkt), wird empfänglich, durchlässig.

Und das ist man dann auch noch, wenn es vorbei ist.

Und es dauert, bis man sich wieder soweit im Griff bzw. eingeigelt und abgeriegelt hat, dass man das Getöse der normalen Welt wieder aushalten kann.

Und bis es soweit ist, tut sie scheußlich weh. Die Normalität. Das Gewöhnliche. Geschrei. Getue. Gerede. Gerangle. Um nichts.

Ich hatte großes Glück.

Dass ich bei ihr sein durfte, als es anfing zu Ende zu gehen. Dass ich mit ihr sein durfte, als das Atmen noch schwieriger wurde, als es vorher schon war. Dass ich sie aufrichten durfte, ihr mit zittrigen Fingern über das schweißnasse, fiebrige Gesicht streichen durfte, während sie kämpfte. Dass ich mich ungeschickt und hilflos bemühen durfte, immer wieder die Schwester zu Hilfe rufen durfte, bis mir diese geduldig und ausführlich erklärte, dass „das alles schon dazu gehört“. Dass ich ihre Angst zuerst mit ihr teilen und dann mit ihr überwinden durfte. Dass ich hinter und neben ihr stehen durfte als Schulter zum Anlehnen. Dass ich ihr gut zureden und es selber begreifen durfte, dass ihr nichts passieren kann beim Loslassen, dass sie vor nichts Angst haben muss, weil alles gut ist, wie es ist.

Ich hatte großes Glück, dass ich mich mit ihr auf das glatte Eis des Unbekannten stellen und dort mit ihr ausharren durfte Stunde um Stunde, während sich die letzte Tür langsam, ganz langsam öffnete.

Dann kamen die andern und stellten sich rund um ihr Bett. Sie sahen sie (nur mehr) sterben.

Ich hatte riesengroßes Glück.

Dieses letzte Stück Weg (während die letzte Tür sich öffnet) birgt mindestens so viele Wunder wie Monster, mindestens so viel Liebe wie Schrecken. Wenn man/frau sich darauf einlässt. Darf man/frau ein winziges Stück des Mysteriums TOD begreifen. Berühren. Mit warmen, lebendigen Händen.

Ganz ruhig ist es.

Keine Infusionen mehr, keine Blutabnahme, nur mehr ein bisschen Flüssigkeit subkutan und ein bisschen Morphium.

Die brüchigen Venen haben nein gesagt, der ganze Körper schreit nein, lasst mich endlich in Ruhe, ich will eure Hilfe nicht mehr, eure Truppen, die ihr mir zur Verstärkung schickt gegen die vielen Feinde, die mich angreifen! Schaut mich doch an! Ich bin am Auseinanderfallen! Seht ihr das nicht? Warum wollt ihr das denn wie einen Strudelteig in die Länge ziehen? Zu retten gibt es hier nichts mehr. Ich will jetzt meinen Dienst endlich beenden dürfen! Nach 100 Jahren ist es genug!

Neben dem Bett sitzen, ganz leicht über die dunkelblau aufgedunsene Hand streicheln, über die Stirn, sie anschauen, das fremde und doch so bekannte Gesicht, die Augenlider, die so fest über den Augen geschlossen sind, als wären sie dort festgewachsen, die Nase, die immer gelber und weißer und spitziger wird, das Knie, das sich manchmal bewegt. Einfach nur dasitzen. Hin und wieder leise reden. Aufstehen. Einen Tee trinken. Wieder hinsetzen. Lassen.

Ich dachte, es würde schwierig, weil zwischen uns nicht immer alles so gut gelaufen ist. Es ist aber nicht schwierig. Es kommt kein Vorwurf, kein schwarzer Gedanke. Im Gegenteil. Da ist Verständnis, gegenseitiges Verzeihen, gegenseitige Anerkennung. Friede.

Vielleicht kommt das andere noch. Jetzt ist es jedenfalls gut. Ich habe mir gestern einen Pott „Nerventropfen“ gekauft. Bis jetzt brauche ich sie nicht. Ich bin ruhig. Mein Platz ist hier. Würde ich jetzt nicht hier sein, würde ich die Tropfen brauchen.

So. Jetzt setze ich mich wieder zu ihr. In zwei Stunden kommt mein Bruder mit noch ein paar Leuten, dann gehe ich eine Runde spazieren. Und dann komme ich wieder. Und bleibe.

Das ist mir ein Bedürfnis. Keine Last. Keine Pflichterfüllung. Es ist so ruhig hier, dass es mir Mühe macht, einen Gedanken zu fassen. Trotzdem tut es gut, diese wenigen hier aufzuschreiben.

Wenn ich etwas begriffen habe in dieser Nacht,

ist es das: Wir sollten viel aufmerksamer miteinander umgehen. Die Zeit nützen, die wir miteinander haben.

Die Nacht war ruhig.

Kein Lächeln. Die Augen zu.

Sauerstoffschläuche in der Nase, Infusionen und Blutergüsse so groß wie Handteller.

Hätte ich nicht gewusst, dass das meine Mutter ist, ich hätte sie möglicherweise gar nicht erkannt.

Aber sonst ist alles ok … Der Körper atmet noch.

Das Lächeln werde ich nicht mehr sehen. Aber. Ich habe es gesehen. Einmal, zweimal, vielleicht dreimal. Ich werde es nicht vergessen.

Heute war ein langer Tag und wird eine lange Nacht. Jetzt versuche ich erst einmal eine kleine Runde zu schlafen. Sie ist frisch umgebettet und schläft ganz friedlich.

In den letzten Monaten hatte sie nichts mehr

von ihrer so selbstbestimmten Art. Sie wurde ganz still, hörte wohl zu, sagte aber selbst nur mehr ganz wenig. Einmal sagte sie: „Jetzt ist eine komische Zeit. Jetzt habe ich nur mehr das Sterben vor mir.“

Als ich sie Mitte Mai nach einem Monat Abwesenheit wiedersah, waren abgesehen von ihrem rapiden körperlichen Verfall zwei Dinge anders: ihre Augen und (manchmal) ihr Lächeln

Ihre Augen waren so dunkel und tief, wie ich sie niemals zuvor gesehen hatte, wie offene Tore ins Weltall oder ins Jenseits, als könne man durch sie „hinüber“ schauen, weil sie von „drüben“ zu einem herüber schauen.

Und ihr Lächeln? Manchmal, wenn sie aus ihrer Versunkenheit und In-sich-Gekehrtheit auftauchte, schaute sie mich mit einem umwerfend wachen, feinen, liebevollen Lächeln an.

Auf dieses Lächeln hatte ich mich schon gefreut bei unserem nächsten Wiedersehen. Ich hatte es 66 Jahre lang vermisst …

So schnell kann’s gehen …

Gestern dachte ich noch, Mitte nächster Woche fahre ich wieder zu meiner Mutter und löse meinen Bruder bei ihrer Betreuung ab. Ich dachte, ich werde mit ihr am Balkon sitzen und wenn sie will, mit ihr Halma spielen, ich werde ihr die Beine massieren, vielleicht vorlesen, ich werde sie in den Arm nehmen, wenn sie wieder beginnt, im Sitzen nach vor und zurück zu schaukeln …

Es muss furchtbar sein, wenn man ganz klar bei Verstand ist und erleben muss, wie der eigene Körper zuerst langsam und dann immer schneller und schneller zerfällt. Man ist in einem Haus eingesperrt, das dabei ist zusammenzubrechen. Man hört es krachen, knarren, die erste Zimmerdecke bricht ein, ein Dachsparren, … Wie kann man sich davor schützen, bei dieser Prozedur durchzudrehen?

Heute ist alles anders. Ich weiß nicht, ob sie noch etwas krachen und knarren hört. Ansprechbar ist sie nach dem Schlaganfall gestern bis jetzt nicht. Und ich weiß auch nicht, ob sie morgen zu Mittag, wenn ich bei ihr im Krankenhaus ankomme, noch am Leben ist. Heute in der Nacht ist mein Bruder bei ihr. (Das ist toll, wir können uns im Krankenhaus aufnehmen lassen.) Das ist ein gutes Gefühl. Die zwei haben sicher noch viel miteinander „zu reden“. Morgen übernehme ich die Nacht, wenn es noch eine Nacht in diesem Körper für sie gibt.

Heute ist alles anders. Der Tod steht im Raum und aller Krimskrams ist weg. Als würden sich die Nebensächlichkeiten vor ihm fürchten. Das Wesentliche bleibt. Es wird größer, klarer sichtbar und hat eine feine, ganz warme Ausstrahlung. Es ist hier. Jetzt.

Seit gestern rumort es in mir.

Was werde ich schreiben? Und warum? Und für wen?

Völlig unnötig die Aufregung … Steht alles im Fettgedruckten auf der rechten Seite: Gewürfeltes Gemüse in einen 10-Liter Topf werde ich werfen und umrühren und köcheln lassen, und jeder, der auf der Straße unterwegs ist und etwas von dem Eintopf haben will, kann sich nehmen. Das war die Intention dieses Blogs von Anfang an und sie ist aktueller denn je. Und wenn der Eintopf die Vorbeigehenden mangels schmackhafter Themen oder schicker Aufbereitung nicht interessiert, ist es auch ok für mich. Ich koche diesen Eintopf gern. Das ist für mich mittlerweile Sinn genug - dass ich das, was ich tue, mit Liebe und Sorgfalt tue und Richter und Jury nicht mehr außerhalb von mir suche.

Die Themen TOD und STERBEN werden in nächster Zeit möglicherweise viel Platz einnehmen, unter anderem, weil ich eine meiner beiden Mütter bald auf ihrem Weg „zur letzten Tür“ begleiten werde (dürfen). Das Lebendige und Kostbare auf diesem Weg. Das Ende als notwendiger Partner des Anfangs.

Ziemlich aktuell werden diese weggesperrten Themen jetzt.

Danke für’s Aufwecken! Vielen lieben, herzlichen Dank, Herr H.!

Mitte April 22 bekam ich ein Mail mit folgendem Inhalt: „Ich interessiere mich für die Domain freygeist.at. [ … ] Da die Homepage, auf welche die Domain verweist, den Eindruck macht das diese nicht mehr aktiv gepflegt wird, wollte ich höflichst anfragen, ob die Möglichkeit besteht diese Domain zu übernehmen?“

Es fühlte sich an, als würde ein Schwall pürierter Eiswürfel in meinem Gesicht landen. Meine entsetzte Antwort vom gleichen Tag: „Nein, die Möglichkeit besteht nicht. Ich werde in nächster Zukunft wieder aktiver sein.“

Aber der Alltag bzw. das tägliche Drunter-und-Drüber, das in Zeiten wie diesen mehr Hiobsbotschaften als Entwarnungen parat hat und mit dem, was ich als europäisches Wohlstandsbürgerlein vor Corona und dem Ukraine-Krieg unter Alltag verstanden habe, so gut wie nichts mehr zu tun hat, überrollte das Mail samt Eiswürfelpüree und ich vergaß es.

Heute in Allerherrgottsfrüh war ich wie üblich auf meinem Hausberg(lein) in den Weinbergen unterwegs. Es war traumhaft schön und gespenstisch still. So still, dass ich mitten in meiner Atemübung stecken blieb. Die eingeatmete Luft steckte im Hals, die ausgestreckten Arme steckten in der Luft. Kein Autolärm aus dem Tal (das ist am Sonntag ganz natürlich und sehr erfreulich). Kein Flugzeuggebrumm vom Himmel. Kein einziges noch so kleines Fliegerlein zwischen 7 und 8 Uhr am ersten Sonntag nach Schulschluss, weder im Anflug auf den Flughafen Schwechat noch beim Aufsteigen noch sonst irgendwo im Blitzblau, der Luftraum leer, nur bei ganz genauem Hinhören ein verschüchtertes Brummen irgendwo ganz weit weg. Nach 8 Uhr entdeckte ich dann eins, zwei … drei!

Etwas ist jetzt GANZ anders. So anders, dass es kein Zurück mehr gibt.

Ist das schlecht? Beängstigend ist es. Drohend ist es. Fremd. Wie Sterben. Wir werden aus unseren alten Geborgenheiten hinausgeworfen. Wohin?

Nicht nur SPANNEND. Wird eine Zeit der „Obdach-Losigkeit“. Jeder, wie er will und kann. Namen gibt es viele für die, die (unfreiwillig oder freiwillig) unterwegs sind ins Unbekannte. Jedenfalls ein Abenteuer, an dem wir Gefallen finden werden müssen.

Ja, Herr H., ich behalte die Domain freygeist.at. Aber Sie haben Recht. Ich muss sie wieder nützen.

In den letzten Jahren habe ich für Flüchtlinge und Migranten §§ geschaufelt. Dieser Lebensabschnitt ist jetzt vorbei. Mit 66 ist es genug. Kein Platz mehr für die grauen Galgenbäumchen (= mein Spitzname für §). Mein Kopf ist wieder frei.

Wessen Symbol ist die Maske,

die dir und mir und jedem von überall aus mittlerweile fast jedem Gegenüber entgegenstarrt?

Es wird immer deutlicher, immer greifbarer. Das Prinzip, das die Welt regiert. Zeigt sich. Jeder kann es sehen.

Gehört Schweigen auch dazu?

Zum Schreiben ?

Wie die Leere des Papiers zwischen den Pinselstrichen?

Wie die Müdigkeit nach einem Nachtdienst in der Notschlafstelle und der anschließenden Vorbereitung eines jungen Ehepaares (sooooooo lieb) aus Afghanistan auf die Verhandlung nächste Woche vor dem Bundesverwaltungsgericht?

Unbedingt.

Superkonzert in einer Notschlafstelle

Ein Live Music Now Konzert.

Live Music Now wurde in den 70er Jahren von Yehudi Menuhin gegründet und organisiert eintrittsfreie Konzerte in Krankenhäusern, Altersheimen, Flüchtlingslagern, Gefängnissen etc., also überall dort, wo Menschen leben, die selbst nicht ins Konzert gehen können, für die aber Musik hilfreich sein kann. Die Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, auf höchstem Niveau interpretierte Musik an ein möglichst großes Publikum heranzutragen, das nur schwer Gelegenheit hat Musik zu hören, und jungen Musikern (bis zum Alter von 29 Jahren) die Möglichkeit zu geben vor Publikum aufzutreten und ihre Fähigkeiten dabei zu entwickeln.

Zwei junge, engagierte Künstler, Akkordeon und Saxophon. Herrliche Musik. Ein begeistertes Publikum. So funktioniert MITEINANDER.

Es wäre so einfach, könnte ich mich für eine Seite entscheiden

Dann könnte ich zufrieden in mir ruhend sagen: Ja. Ich bin Flüchtlingshelferin. Ich bin eine von den Guten, die darauf schauen, dass der Rechtsstaat ein Rechtsstaat ist und bleibt, dass die Menschenrechte geachtet werden, dass die Flüchtlinge ein faires Verfahren und den ihnen zustehenden Status bekommen und beschützt werden vor der Inkompetenz der Sachbearbeiter des BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl).

Aber in dem Augenblick, in dem ich daran denken würde, das zu sagen, würde mir unsere eigene dürftige Kompetenz um die Ohren fliegen, die auf Seiten der vielen jungen Leute, die sich in diesem Bereich engagieren, zwar gepaart ist mit unheimlich viel Liebe und bewundernswerter Hingabe, das juristische know how in diesem asylrechtlichen Gestrüpp hält sich bei vielen aber in recht engen Grenzen. Und bei mir entdecke ich zusätzlich, dass mir auch die Liebe fehlt und die Hingabe. Ich ertappe mich vielmehr dabei, dass ich den Leuten ihre Geschichten nicht glaube oder, dass ich sie zwar glaube, mir aber denke: Na und? Wieso sollen wir in Europa es ausbaden, wenn sich in Afghanistan die Leute wegen ein paar m2 Steinwüste in einem Familienkrieg umbringen? Und dann gibt es auch die, die ich nicht verstehe und nicht achte, wie z.B. den jungen Mann heute, der eine Frau einer anderen Volksgruppe heiratet, obwohl er weiß, dass das in dem Land, in dem er zuhause ist, für seine ganze Familie lebensgefährlich ist. Ergebnis dieser Heirat (wenn seine Geschichte stimmt): Vater und Bruder wurden entführt (und getötet?), er ist mit Frau und Mutter und Schwägerin samt Kindern in den Nachbarstaat geflohen, wo die Frauen und Kinder jetzt ausharren müssen, während er hier als Flüchtling anerkannt werden will. Wenn ihm das gelingt, kann er seine Frau nachholen und hier mit ihr in Ruhe und Freiheit leben. Seine Mutter hingegen und seine Schwägerin mit Kindern dürfen ohne Mann und ohne Vater irgendwo im Nirgendwo den Rest ihres Lebens verbringen … Aber es gibt natürlich auch die, deren Geschichte ich glaube und die ich achte, wie z.B. die alte abgearbeitete Frau mit Kopftuch gestern, die zwischen ihrer in Österreich als Flüchtling anerkannten Tochter und ihren Söhnen in Tschetschenien langsam aber sicher aufgerieben wird.

Ich möchte so gern an das Gute im Menschen glauben … auch an das Gute in mir. An die Liebe in mir möchte ich glauben! Ich fürchte, das wird eine lebenslängliche Illusion bleiben. Wir sind alle miteinander ziemlich menschliche Menschen, fürchte ich.

Ich werde nie ergreifende Flüchtlingsgeschichten schreiben können, Samuel T. Auch wenn ich weiß, dass ihr mit und ohne Lügen das Recht habt, unsere scheinheilige Idylle über den Haufen zu rennen.

Zeit, wieder zu schreiben?

vielleicht …

Gestern habe ich gelesen, Theresa aus Kalkutta habe gesagt: “Man kann nicht lieben, bevor es nicht auf eigene Kosten geht.”

Heute sitze ich vor meinem Sonntagsfrühstück mit weichem Ei, Käse, Biotopfen, bade in sauteuren Kirschen, Erdbeeren, Pfirsichen, Tomaten und mein Blick fällt auf das kleine Glas mit der noch sauteureren Marmelade mit Apfelsaftkonzentrat gesüßt …

Ich schäme mich.

gemEinsam

= ein Wortbild, das zwangsläufig auftaucht, wenn ich die Flüchtlingspolitik der EU und die ersten Fußstapfen von Donald Trump in der Weltpolitik sehe; genauso zwangsläufig wie die Gänsehaut auf meinem Rücken …

So viel zu tun …

Und noch so viel zu lernen … Mein altes, eingetrocknetes Gehirn …

Und am Abend einfach müde … nix Blog schreiben …

Und wenn dazwischen einige Tage frei sind … Hirn und Kopf durchlüften … wieder nix Blog schreiben …

Aber wenn die Routine irgendwann ihr Zelt bei mir aufschlägt … w/dann?

Bezeichnend?

Der erste Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (die Behörde, die in Österreich über Asylanträge entscheidet), den ich zu Gesicht bekomme:

Im SPRUCH wird über den Antrag eines MAROKKANERS entschieden: a) Asyl abgelehnt, b) subsidiärer Schutz angelehnt, c) humanitäres Bleiberecht abgelehnt, d) Rückkehrentscheidung (was soviel heißt wie: er muss nach Marokko zurück)

In der BEGRÜNDUNG stützt sich die Behörde auf die Einvernahme eines NIGERIANERS zu seinen Fluchtgründen. Ein Versehen, versteht sich. Ein falsches Protokoll, aus dem inkludiert wurde.

Nichts Schlimmes … Nur ein falscher Flüchtling.

Herz statt Blei

Ich will 2015 mit dem schönsten und wahrhaftigsten Neujahrsgedicht beginnen, das ich kenne: Es spielt auf den Brauch des Bleigießens in der Silvester/Neujahrsnacht an.

neujahr

kein blei heuer

um sich

zu gestalten

zu gestalten

unter der

flamme

im

wasser

————-

lass uns unsere

herzen

nehmen und

sehen

was daraus

werden

wird

Marius Frey

PROSIT NEUJAHR

Mein Traum in der Silvester/Neujahrsnacht

Ich kam in meine Wohnung und da waren viele Menschen. Ich kannte keinen von ihnen. Sie waren offenbar eingedrungen, während ich nicht da war. Ich wollte wieder gehen und die Polizei verständigen, aber aus irgendeinem Grund blieb ich und verständigte niemand. Ich ging durch die Wohnung, durch die Menschen, die Wohnung wurde immer größer, von jedem Raum führte eine Tür in den nächsten und von diesem wieder in den nächsten, auf alle Seiten führten Türen in neue Räume, ich ging und ging. Immer mehr Räume, immer mehr Menschen. Und irgendwann wusste ich nicht mehr: Sind diese Menschen in meiner Wohnung oder bin ich in ihrer, oder …?

2014

Du warst kein angenehmes Jahr für mich.

Du warst angefüllt mit sehr viel Einsamkeit. Mit Ernüchterung. Mit Gehen, Stolpern, Irren durch die Fallgruben und Abgründe im Dschungel eines menschenunwürdigen Rechts. Aber irgendwann wurde mir plötzlich klar, dass ich in diesem Alptraum aus §§ und Unmenschlichkeit schnurstracks auf etwas ungeheuer Tolles zusteuere - auf die Erfüllung meines Kindheitstraumes. Ich weiß nicht, ob es ein Traum war oder ein Vorsatz. Ich glaube, es war beides. Wenn ich erwachsen bin, dachte ich als kleiner Knirps, werde ich Rechtsanwalt. Damit ich denen zu ihrem Recht verhelfen kann, die es selber nicht können. (Vielleicht, weil ich als Kind auch einen Engel (bitter nötig) hatte, der mich durch die Finsternis meiner ersten zwölf Lebensjahre führte.) Ein Rechtsanwalt bin ich zwar nicht, aber wenn ich über die nötigen Kenntnisse verfüge, kann ich als Juristin rechtlich beraten und vertreten, wen immer ich will. Ich darf es nur nicht erwerbsmäßig tun, wie ein Rechtsanwalt es tut. Das Ehrenamt steht mir offen. Und damit ich die Zeit bis zu meinem Pensionsantritt (in etwas mehr als einem Jahr) finanziell überbrücken kann, hat mir meine Mutter einen Vorschuss auf mein Erbe gegeben.

Alles in allem, 2014, wurde in deinen 365 Tagen ziemlich viel Liebe freigesetzt, eine von der Sorte, die man erst auf den zweiten oder dritten Blick wahrnimmt, weil ihr der Zuckerguss fehlt und jeder Schnickschnack.

Dafür ein riesengroßes DANKE!